Was wir gern tun
Wir behandeln hier alle Besonderheiten, mit denen das Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie zu tun hat. Offiziell werden sie "Störungen" genannt. Das ist ganz einseitig und somit ein schlechter Begriff - Anmerkungen dazu siehe unter anderem den Absatz "Neurodiversität".
Vieles sehen wir hier häufig, anderes seltener. (Gleich kommt eine Liste von diesen häufigeren. Die Überschriften und Themen dazu aufgelistet - und darunter wird´s ausführlich.)
Eine Begleitung und Behandlung in einer solchen Praxis ist für Ärzt:innen und Therapeutinnen anspruchsvoll. Weil wir es ja doch gern möglichst gut machen möchten. Damit die, die uns besuchen, auch was davon haben. Nur darum geht es ja: Dass etwas Gutes bei und in Ihnen geschieht. Heilsame Prozesse. Das versuchen wir also rauszufinden: Was braucht dieser Mensch? Wie erreichen wir ihn? Was ist jetzt vordringlich? Was muss schnell besser werden?
Z.B. wenn sich ein Kind /Jugendlicher nicht mehr in die Schule traut. Das darf sich nicht lang hinziehen, sonst wird's chronisch (s.Absatz Ängste). Eine Suche nach emotionalen Krisen in der frühen Kindheit ist dann erst mal völlig verfehlt. Das macht man Spa: Wie dieses Kind den reflexhaften Automatismus entwickelt hat, sich zu verkriechen hat natürlich seine Gründe (s. Absatz Psychotherapie). Es geht erst mal um die Gegenwart, die Suche in der Vergangenheit wird später wichtig, aber erst mal muss es möglichst schnell wirksam gehen.
Dann überlegen wir, welche der verschiedenen möglichen therapeutischen Herangehensweisen - die jeweils ihre besonderen Erfolgs-Chancen haben - das Optimale erreichen könnten. Und dann muss man aber immer genau darauf achten, ob und wie man den Zugangsweg ändern sollte. Bei derselben Familie muss ja öfters mehrere zugleich nehmen. (Das ist genauso, wie es jeder im Alltag tut, also ganz normal.) So z.B. verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologische und systembezogene Ansätze, nonverbale Therapieverfahren ... Auch Pädagogisches ist ganz wichtig. Von vielen Eltern sind wir sehr beeindruckt, wie gut sie sich durch schwierige Lebenslagen hindurch manövrieren. Manche aber muss man zu beraten. Das ist ja klar. Weil Eltern eben so wichtig sind. Sie gestalten ja den Rahmen, in dem das Kind sich entwickeln soll. Wenn sie das nicht so gut schaffen, wie sie eigentlich möchten, muss das Kind unter solchen belastenden Umständen leben. Eltern zu sein ist eine hohe Verantwortung. Schön und bereichernd, aber wie alle Eltern wissen, immer wieder mal anstrengend.
Zudem gibt´s neben der psychotherapeutischen auch eine ärztlich-medizinische Seite. Sowohl diagnostisch als auch therapeutisch (Weiteres grundlegend Wichtige dazu s.u. Absatz "Psychosomatik").
Das beinhaltet: Manchmal sind zur Unterstützung auch Medikamente eine wertvolle Möglichkeit. Eine Chance, damit eine Veränderung und Entwicklung gelingt. Um aus erstarrten Verhaltens- und Wahrnehmungsmustern herauszukommen. Dann kann dieser Mensch leichter das verändern, was er zwar verändern möchte, das aber momentan eben nicht schafft. Medikamente ohne eine Psychotherapie sind aber oft nicht erfolgreich genug, wenn die Selbstheilungskräfte des Körpers und der "Seele" nicht stark genug sind - und wenn der Austausch im Freundeskreis auch nicht reicht.
Nur Medikamente zu nehmen ist möglich. Manchmal als Erste-Hilfe-Maßnahme, manchmal aber auch für eine etwas längere Unterstützung. Ohne Psychotherapie ist die Veränderung aber nicht stabil, nicht nachhaltig und dann eben auch nicht tiefergreifend erfolgreich: Es wird nur oberflächlich betrachtet besser - aber die tief verankerten Muster fürs Fühlen, Denken und Verhalten bleiben unverändert.
Die fatale Folge ist: Bei der nächsten Herausforderung gerät man oft wieder in dieselbe Verstrickung bzw. "in denselben Sumpf" wie beim Mal davor. Weil eben diese automatisierten Muster nicht verändert werden. Man sucht sich bei solchen Mustern zum Beispiel dieselbe Sorte von Partner/Partnerin, die einem nicht gut tut und es wird wieder toxisch. Eine wahrscheinlich dadurch wieder zum Scheitern verurteilte Beziehung mehr.
Im Prinzip kennt das jeder.
Es ist völlig normal.
Man darf das auch nicht nur negativ sehen: Alte Programme wieder zu aktivieren ist immer auch ein Selbstheilungsversuch. Man sieht sein inneres Drama quasi in der Realität vor sich: Der Realität auf der Bühne, wo eine Therater-Vorstellung gespielt wird. Nach einem Drehbuch in uns, das schon seit langer Zeit existiert. Wenn man´s als erneute Aufführung vor sich ablaufen sieht, kann man sich fragen: Will ich das noch mal so haben? Eine neue Runde desselben? Ist das ein gutes Drehbuch für mein Leben? Oder gefällt mir das gar nicht mehr und ich muss es ändern, wenn ich ein besseres Leben für mich möchte?
Wenn man das erkennt - weil man's vor sich sieht - kann man es ändern. Das vorher Verborgene ist nun sichtbar. Also wer in einem solchen Wandlungsprozess ist: Seht das bei euch positiv. Es ist ein Selbstheilungsversuch. Eine Chance. Keiner muss sich schämen, wenn es noch nicht so klappt.
Wenn man in dem destruktiven lebenshemmenden Muster steckenbleibt, kann das depressiv machen. Das ist ja eigentlich ja auch logisch: Wenn es einem Menschen so geht, wird das Selbstbild negativ: "Ich bin zu blöd, ich krieg´s nicht hin, bin ein Versager", vielleicht z.B.: "Ich bin sowieso beziehungsunfähig, mit mir hält´s keiner aus ... ". Irgendwann droht, dass er/sie von sich denkt: "Ich hab´s nicht besser verdient." Das ist dann eine Katastrophe: Wenn sich so ein Lebensgefühl verfestigt, gelingt´s nur noch mit Mühe (und dann meist nur mit therapeutischer Hilfe), da wieder rauszukommen. Sowas ist natürlich jammerschade und, wenn´s so extrem ist, auch richtig schlimm.
Jetzt kommt
eine Reihe von Absätzen jeweils über ein Thema, mit dem wir immer wieder zu tun haben. Bitte beachten: Es sind nur einige Aspekte, die ich hier vertiefe! Wenn man alles darstellen wollte, würde es unermesslich viel. Kaufen Sie, wenn Sie alles allumfassend wissen möchten, pro Thema lieber 100 Bücher! (Nee, lassen Sie ´s lieber, sonst kommen Sie vor lauter Bildung nicht zum Leben :).
Ich beschreibe also nur einige Aspekte, aber wie ich meine wichtige Aspekte. Sie kommen aus der Praxis. Aus 40 Jahren Berufserfahrung - und 65 Jahren Selbsterfahrung. Sie benennen vieles von dem, wo ich erlebe, dass es anderen weiterhilft. (Was nicht weiterhilft hab ich mir ja abgewöhnt). Es sind Ergänzungen zu dem, was Sie schon wissen oder sich aus anderen Quellen aneignen können. Z.B. von klügeren Leuten vielleicht als mir :)
Praktischer Tipp:
Einfach schnell runterscrollen, wenn´s euch nicht so interessiert.
Ich weiß, die Texte sind teils ein bisschen lang geworden, obwohl es ja nur Anmerkungen sind - aber Ihr lest das hier ja freiwillig. Für die, sich sich vertiefen möchten, lohnt es sich.
Und zwar geht es um Anmerkungen zu den Themen:
- Jeder ist ein bisschen speziell: "Neurodivergenz"
- Vielleicht ist alles ganz anders: Differenzialdiagnose
- Depressionen
- Ängste
- Zwangsstörungen
- Konzentrationsstörungen: Scheuklappen sind
nützlich. Einerseits.
- Probleme im sozialen Verhalten
- Querköpfe
- Autismusspektrumstörung
- Ticks
- Leistungsschwächen in der Schule
- Essstörungen, v.a. Magersucht
- Selbstverletzendes Verhalten
- Dissoziation
- Lebensmüde Gedanken
- Einsamkeit
- Sinnestäuschung
- Bipolare Störung
- Süchte
- Verunsicherung in der Geschlechtsidentität
- Pubertät
- Influencer
- Projektionen
- Seele - was ist das eigentlich?
- Psychotherapie
- Psychosomatik
- Biologie
- Bauchnabel
- Selbsterfahrung
- Wissenschaft und Pseudowissenschaft
- Humor, das Wichtigste im Leben
- Jeder ist ein bisschen speziell -
und jeder auf seine spezielle Weise speziell.
Wissenschaftlich ausgedrückt nennt sich das "Neurodiversität". Das Gegenteil ist "neurotypisch". Neurodivers ist ein komplizierter Ausdruck für etwas, was wir alle kennen, nämlich schlicht und einfach: Jeder Mensch ist anders. Die meisten sind in ihrem Wesen und Verhalten in einem Spektrum, das einem normal vorkommt, andere sind mit manchen ihrer Eigenschaften ungewöhnlich. Sie entsprechen nicht dem Standarttyp. Aber es gibt sie und gehören zu diesem weiten Spektrum des Menschlichen. Sie sind aber eben ungewöhnlich.
Wie man das bewertet, ist eine andere Sache.
Also ob eine Gesellschaft bzw. Gemeinschaft Eigenschaften für mehr oder weniger wertvoll hält. Ob man ihre Ungewöhnlichkeit für nützlich oder für unnütz hält. Verständlich ist es, sich das zu fragen. Aber woran bemisst man Nützlichkeit? Ein Haustier ist meist nicht nützlich - aber wertvoll. Es ist ein wertvolles Mitglied der Familie. Manchmal ist es vielleicht sogar das wichtigste Familienmitglied. (Wenn´s etwa drum geht, wer am besten trösten kann.)
Das oberste Gebot ist natürlich erst mal Toleranz,
das Ungewöhnliche, Eigenartige und "Diverse" zu akzeptieren. Möglichst sogar wertzuschätzen. Natürlich stellt sich irgendwann die Frage: Welche ungewöhnlichen Eigenschaften helfen, um im Leben gut zurecht zu kommen - und welche Eigenschaften machen es schwer? Zum Beispiel: Eine sehr niedrige Intelligenz macht das Leben schwerer und vielleicht geht ein selbstständiges Leben dann gar nicht. Mit einer Hochbegabung hat man´s manchmal auch schwer, wenn ein solches Kind z.B. gemobbt wird, wenn es sich ausgestoßen fühlt, einsam, wenn so ein Kind anstrengend ist, vielleicht auch für seine Eltern. Oder, andere Beispiele, eine angeborene Taubheit oder angeborene abnorm erhöhte Knochenbrüchigkeit oder das angeborenes Fehlen bestimmter Hormone ... Das alles ist zwar im Spektrum des Menschlichen, solche Besonderheiten kommen vor, machen das Leben aber eben schwerer.
"Neurodivers" kann also dermaßen abweichend-divers sein, dass man sich fragt, ob es ab einem gewissen Ausmaß "Funktions-Störung" nennen sollte. Wenn man nach dem Funktionieren fragt, muss man das wohl. (Wobei man sich fragen sollte: Wie wichtig ist es denn, wie gut ein Mensch "funktioniert"?
Schwere Frage. Die Antwort ist: „Je nachdem.“ Manchmal ist Funktionierenkönnen sehr wichtig, manchmal ist anderes viel bedeutsamer.)
Praktische Konsequenzen hat es, wenn es um Hilfen geht, die die Solidargemeinschaft zahlen müsste. „Divers“ ist ja nun nichts, was wie eine Störung oder Krankheit behandeln müsste. Es wäre einfach nur ok, so zu sein. Dieser Mensch bekäme also keine Hilfe.
Wichtiger als eine Zuordnung "krank oder gesund" ist aber eben erstmal die grundsätzliche Wertschätzung. Und zu entdecken, wo bei diesen Besonderheiten nicht nur „Störungen“ vorliegen, sondern gerade auch Stärken - z.B. bei Menschen mit Autismus (s.u. Abschnitt Autismusspektrum).
Man kann denjenigen also dankbar sein, die dem Thema Neurodiversität eine ganz große Bedeutung geben. Sie haben recht.
- Vielleicht ist alles ganz anders: Differenzialdiagnose
Das ist der Medizinerausdruck dafür, was ja alle genauso aus ihrem Alltag kennen.
Man stellt sich die Frage, wenn man mit etwas umgehen muss. Man fragt sich schlicht und einfach: Was ist da eigentlich los ? Wie kann ich mir darauf (auf was auch immer) einen Reim machen? Dies Phänomen erklären? Wie kann ich herausfinden, was zu tun ist? …
Das müssen wir ja immer, wenn es ein bisschen komplizierter ist. Wenn ein Verhalten und Erleben durch ganz verschiedene Dinge bedingt sein kann. Dann muss man sorgfältig abwägen: Was spielt eine große Rolle - und was ist weniger wichtig?
Derart schwierig ist´s eben auch in der Medizin, dieses Abwägen, genannt Differenzialdiagnose. Z.B. bei der Abgrenzung: Was ist noch altersgemäß krisenhaft-turbulent - und wo entgleitet etwas völlig der eigenen Steuerung? Konkrete Beispiele aus unserem Bereich hier: Was passt am ehesten zu einem ADHS, was zu einer Borderline-Störung, was eher zu einer bipolaren- oder Traumafolgestörung etc. ... Schwierig ist manchmal auch die Abgrenzung von Zwangsstörungen und komplexe Ticks. Oder bei Anfällen: Was sind epileptische Anfälle und welche sehr ähnlich wirkenden Anfälle entstehen nur in emotional stressigen Konfliktsituationen? Oder was kann wirken wie ein epileptischen Anfall, ist aber eigentlich eine sogenannte Dissoziationen?
Häufig, eigentlich fast immer, überlagern sich auch verschiedene Faktoren, sodass etwas erst durch die Kombination problematisch wird. Das zu sortieren ist eine schwere Aufgabe. Wenn jemand, der die Veranlagung zu AD(H)S hat, z.B. unter ungünstigen, belastenden und Dauerstress erzeugenden Umständen lebt, werden kleinere Auffälligkeiten zu einem echten Problem. Weil sie sich aufsummieren. Wenn´s ihm/ihr in vieler Hinsicht gut geht und er klug mit seinen Stärken/Schwächen umgeht, kann er sehr gut zurechtkommen. Dann käme niemand auf die Idee, er könnte AD(H)S haben. Es wird eben nicht sichtbar. Es entsteht kein Problem. Es ist dann also ganz genauso wie bei Menschen mit einer Anlage zu Magengeschwüren, zu Diabetes, Bluthochdruck etc. ... .
Sorgfalt in der Differenzialdiagnose kann man auch bei Krimis lernen :) Die schlechten Kommissare sagen: Warum zerbrecht ihr euch darüber den Kopf? Es ist doch alles ganz einfach und völlig klar!“ (Im weiteren Verlauf der Handlung zeigt sich dann: Von wegen!)
Veranlagungen können also Probleme schaffen, müssen sie aber nicht. Es hängt von uns selbst ab.
Das ist eine gute Nachricht. Ohne irgendwelche Fachleute können Sie selbst viel tun. Was unter schlechten Umständen schwierig werden könnte wird´s dann gar nicht. Nur unter lang einwirkenden emotional und/oder körperliche ungesunden bzw. stressigen Umständen wird es ein Problem. Auch das herauszufinden gehört also zur Differenzialdiagnose: Wie gesund ist diese Familie? Ihre Selbstheilungskräfte? Wie gesund ist also sozusagen ihr psychisches Immunsystem?
Häufig also sind:
- Depressionen
Im Prinzip kennt das jeder Mensch, der emotional lebendig ist.
Angst, Traurigkeit bis hin zu Verzweiflung gehören zum Leben dazu. Wer keine Trauer fühlen kann oder will, fühlt auch keine tiefe Freude. Wenn solche Gefühle von Angst und Traurigkeit aber immer mehr Raum einnehmen, wenn irgendwann das Wahrnehmen, Fühlen und Denken davon beherrscht wird und wichtige Dinge des Alltags nur noch mühsam gelingen, ist die Grenze des Gesunden überschritten. Der Mensch gerät aus der Balance und es wird schwer. Sehr viele Menschen erleben so etwas zumindest 1 Mal in ihrem Leben, in abgeschwächter Form die meisten Menschen und auch öfters. Wichtig ist, die Wahrheit ist manchmal paradox: Depressionen muss man als eine Krankheit sehen. Einerseits. Das Gehirn ist ein enorm kompliziertes Organ und kann wie alle Organe des Körpers auch krank werden. Depression ist aber andererseits, so seltsam das erst mal klingt, auch eine Entscheidung. Vielleicht eine sehr gute: Z.B. wenn ein Mensch spürt: "Entweder ich mach so weiter wie jetzt - oder ich breche auf zu neuen Ufern. Und ich riskiere dafür, dass ich in eine Krise gerate, in der ich vielleicht depressiv werde. Weil's eben schwer ist. Ich wage das jetzt."
Wer nichts wagt, wird seltener depressiv.
Wer nur im Bett liegt, kann auch nicht stolpern.
Das muss man aber einschränken: Es gibt Depressionen, die man psychologisch überhaupt nicht verstehen kann. Es gibt da keine ungelösten Konflikte, die das bewirken, und keinen anstehenden Entwicklungsprozess, wozu Depressivität zu durchleben Sinn macht. Sie scheint sinnlos und nur destruktiv. Dann ist es wahrscheinlich wirklich eine Stoffwechselerkrankung des Gehirns. Meist braucht es dann eine medizinische Behandlung, z.B. Medikamente. Dann aber später auch Psychotherapie. Später. In einer tiefen Depression ist man für eine Psychotherapie gar nicht erreichbar. Eine schwere Depression kann so sehr lähmen, dass nichts mehr geht. Als ob man in einem Moor versinkt und sich kaum noch bewegen kann.
Aber normalerweise ist's auch eine Entscheidung. Eine vielleicht sehr gute oder sogar die beste, sich jetzt in eine Krise zu wagen und dafür Depressivität zu riskieren. Dazu muss dann aber auch alles passen: Depressivität zu durchleben gelingt nur, wenn man Positives ausblendet. Die Brille der Wahrnehmung muss düstergrau sein. Muss. Klingt absurd, ist aber 1 Aspekt der Wahrheit und macht verständlich, warum der Umgang mit einem depressiven Familienmitglied für die anderen so schwer ist.
Dazu mal was Humorvolles zitiert: Das lernt man schon bei den Peanuts: Charlie Brown geht mit gebeugten Kopf an Lucy vorbei. Sagt von sich, er sei schlecht drauf. Lucy ist nicht überzeugt. Wenn er das zum Ausdruck bringen möchte müssen Kopf und Schultern noch mehr hängen, sein Gang schleppender sein, der Gesichtsausdruck leidender. Die Wirklichkeit ist nicht lustig, aber eigentlich ist´s ein Trost :Depressivität muss man durchleben, sonst dauert's zu lang. Es ist ein Kampf, in dem man zwischendurch selten eine Stimmungskanone ist. Das gilt nach außen wie auch nach innen: Sport zu machen oder wenigstens rauszugehen wäre objektiv gesehen gut: Bewegung wirkt antidepressiv. Aktiviert Energie und Vitalität. Genau das will man dann aber nicht. Vitalität zu spüren und körperlich durch die belebende Bewegung spüren zu müssen stört den Prozess. Man will sich verkriechen. Und um in Kontakt zu bleiben, die anderen auch spüren lassen: Ich kann nicht, mir geht’s zu schlecht. Es ist der Wunsch, die anderen Anteil nehmen zu lassen. Zugleich wegzuschieben und mit einzubeziehen. Sie sollen da sein, aber den Selbstheilungsweg mit Depressivität nicht stören. Sie sollen nicht aufheitern. Die Welt ist düster. Zu dieser Zeit ist sie es wirklich.
Das klingt wie gesagt absurd. Aber genau das ist es, was es den Angehörigen so schwer macht. Wer Depressivität nicht kennt, wie soll er das verstehen? Man versucht zu ermutigen, auf all das Gute hinzuweisen, was dieser Mensch doch ist und hat und tut. Versucht abzulenken, aufzuheitern… Also mit besten Absichten. Das erreicht aber nur das Gegenteil: Wer sich depressiv fühlt, fühlt sich dadurch missverstanden. Abgewiesen. Nicht angenommen, wie man das Leben eben erlebt. Das macht noch depressiver, das Einsamkeitsgefühl nimmt zu. Es hilft für die Angehörigen nur, die Wahrnehmung und die Lebensäußerungen in der Depressivität zu akzeptieren. Es ist jetzt so - und als subjektive Wahrnehmung wahr. Für diesen Menschen zu dieser Zeit in dieser Verfassung ist es voll und ganz wahr. Es wird sich ändern, wenn der Kampf - hoffentlich durchgestanden ist. Das fühlen und denken aber nur die Außenstehenden. Für den Betroffenen ist es zu dieser Zeit unvorstellbar.
Es ist für Angehörige sehr anspruchsvoll und kräftezehrend. Sie können und wollen der Depressivität ja nicht einfach die Herrschaft überlassen. Wenn Depression das Ausmaß einer Krankheit hat, muss man wie bei jeder Krankheit schauen: Gelingt diesem Menschen und seinem Organismus die Selbstheilung?
Es gibt ja auch bei der körperlichen Selbstheilung überschießende Reaktionen des Körpers. Zum Beispiel vom Immunsystem. Bei Allergien z.B. oder Autoimmunerkrankungen. Man muss also wachsam sein und dann auch gegensteuern: Die Depressionen darf nicht die Herrschaft übernehmen. Über diesen Menschen nicht und die Familie auch nicht. Bei manchen Krankheiten ist Schonung das Beste, bei anderen nicht, sondern eine dosierte Aktivierung. Zum Gesundwerden ist´s also wichtig, auch bei anfänglichen Schmerzen (zum Beispiel im Knie) aufzustehen und sich zu bewegen. Sonst kommt es zum Muskelabbau und man wird immer schmerzempfindlicher.
Für Angehörige ist's also eine Gratwanderung und braucht viel Fingerspitzengefühl und Kraft. Sie können das Unlösbare nicht lösen und müssen trotzdem handeln: Für das Familienmitglied mit der Depression - und gegen die entwicklungshemmend-lähmenden Auswirkungen der Depression. Sie müssen also versuchen nah zu sein und trotzdem immer wieder Abstand nehmen. Sie müssen gut auf sich aufpassen.
- Ängste
gehören ebenfalls zum Leben.
Weil es für jedes Lebewesen so wichtig ist, sich sicher genug zu fühlen. Aus verschiedenen Gründen können Ängste massiv werden. Entweder weil die Gefahr wirklich groß ist und etwas real bedrohlich ist. Oder weil ein Mensch ein einzelnes sicherheitsbietendes Element für unverzichtbar hält und für sein Gefühl nichts anderes genauso gut Halt bieten kann (z.B. wenn für das Sicherheitsgefühl eines Kindes die Mama immer erreichbar sein muss, die Anwesenheit des Papas ohne die Mama aber nur wenig hilft.) Oder wenn sich aus irgendeinem Grund ein vielleicht verdrängter angstmachender Konflikt oder sonst ein inneres Thema mit Gegenständen oder bestimmten Situationen verknüpft hat. Dann entstehen Phobien (also z.B. Furcht etwa vor Spinnen, Mäusen, Aufzügen, Brücken, hochgelegenen Orte wie Türme ...). Oder wenn ein Mensch durch körperlichen und/oder emotionalen Stress so sehr in seinen Abwehrkräften geschwächt ist, dass er körperlichen und/oder seelischen Belastungen nicht mehr standhalten kann und überfordert ist. Bei Herausforderungen, die er/sie zu Zeiten von innerer Stabilität gut bewältigen konnte.
Es gibt natürlich noch andere Ängste, die ihre Besonderheiten haben. Aber dazu können Sie ja mal irgendwas Ausführliches lesen.
Natürlich gibt´s einfach auch Veranlagungen. Manche Menschen werden halt schneller ängstlich als andere. (Meist gibt´s dieselbe Veranlagung auch bei nahen Verwandten. Man erbt ja viel, "Stärken" und "Schwächen", in manchem ein dickes Fell, in anderen Dünnhäutigkeit.) Das hat auch sein Gutes: Manche Menschen sind sensibler und spüren Stressoren, die andere nicht wahrnehmen. Auch im Körperlichen: Z.B. elektromagnetische Strahlen oder die Wirkungen und Wechselwirkungen von Hunderten verschiedenen chemischen Stoffe aus Verkehr und Industrie, die uns alle umschwirren (das nennt sich MCS). Manche empfinden Geräusche wie Verkehrslärm als fast schmerzhaft oder können Gerüche nicht so leicht ignorieren. Es kann auch sein und Ängste hervorrufen, weil jemand einfach wacher und ehrlicher ist als andere. Indem er reale Gefahren sieht, die viele andere ignorieren, z.B. die Umweltkrise. Es ist ja tatsächlich beängstigend, worauf wir zusteuern und kaum wirksam bremsen. Da müsste man viel mehr Angst haben und die Notbremse treten. Gechillt sein ist nicht immer das Beste.
Ängste fühlen sich schlimm an. Das Schlimmste daran aber sind längerfristig die Folgen, wenn die darunter leidenden Menschen die Situationen vermeiden, die bei ihnen Angst auslösen. Dass sie z.B. überhaupt nicht mehr aus dem Haus gehen. Nicht mehr einkaufen gehen können. Kinder und Jugendliche, die über Wochen und Monate nicht in die Schule gehen. Die dadurch vereinsamen. Das ist wie bei jemandem, der Schmerzen bekommt, wenn er aufsteht und ein paar Schritte geht - und deshalb dann lieber von vorne herein die ganze Zeit im Bett bleibt und dann zudem noch keine Hilfe annimmt. Ein solches Vermeidungsverhalten ist typisch bei Ängsten. Es ist verständlich, hat aber eben katastrophale Folgen.
Man kann sich dann mit so einem reduzierten Leben begnügen. Wenn man aber auf all das Lebendige nicht verzichten will, was so blockiert ist, gibt´s nichts anderes, als sich den Ängsten zu stellen. Von diesen Gefühlen Abstand nehmen zu lernen. Noch mal genau hinzuschauen: Ist das eine tatsächliche Gefahr? Oder denke und fühle ich das nur? Sich distanzieren z.B. auch, indem man sich klar macht: Eine Panikattacke ist eine erst mal rein körperliche Reaktion. Das vegetative Nervensystem schlägt Alarm. Wenn man sich das klar macht wird´s leichter. Als Vergleich: Es ist ähnlich, wie wenn eine Frau, die zum ersten Mal Hitzewallungen, Schweißausbrüche etc. erlebt, irgendwann erkennt: Ich bin in den Wechseljahren! Durch diese Erkenntnis allein verändern sich diese Beschwerden natürlich erst mal überhaupt nicht, aber: Jetzt kann frau es zuordnen - und die verstörende und alles verschlimmernde Verunsicherung hat ihr Ende. Diese Frau weiß dann: Das zu erleben ist manchmal total anstrengend und belastend, aber etwas Natürliches. Und sie weiß: Es wird vorübergehen. Mit diesem Wissen "Das sind die Wechseljahre" ist es leichter, diese Zeit zu durchstehen. Es ist belastend, aber nicht gefährlich. Genau so ist´s auch bei Ängsten. Wenn man denen auch mit dem Verstand und rationalem Wissen begegnet dauert´s bei Ängsten meist aber nicht so lange wie bei Wechseljahren, bis sie schwächer werden. Und noch eine gute Nachricht bzgl. Ängsten: Bei manchen Erkrankungen des Bewegungsapparates, z.B. rheumatischen, sind die ersten Schritte schmerzhaft und dann wird´s immer besser. Genauso ist´s oft bei Ängsten. Das Wichtigste also: Keine Angst vor der Angst! Nicht einschüchtern lassen! Je mutiger man ist umso schneller ist´s geschafft.
- Zwangshandlungen oder-gedanken
können leicht zu ertragen sein, wenn man etwa nur immer wieder kontrollieren muss, ob das Licht auch ausgeschaltet ist. In schwerer Ausprägung aber werden sie quälend und können das ganze Leben, das eigene und zudem manchmal auch noch das Leben einer ganzen Familie, in ihren Würgegriff nehmen. Auch hier hat die Medaille 2 Seiten: Eine Zwangsstörung ist eine Krankheit, eine Dysbalance im Hirnstoffwechsel. Auf der anderen Seite ist´s auch ein aktives Handeln, Zwänge zu entwickeln. Bildlich gesprochen: Zwänge fungieren als Bremse. Wenn eine Angst zu groß wird, dass sich irgendetwas im eigenen Leben zu schnell verändert. Es sind Notbremsungen, die erst mal sinnvoll sein können, aber blockierend, wenn sie reflexhaft werden. Die innere Logik dabei ist: Besser immer wieder Notbremsungen als dass diese Fahrt immer schneller wird, man die Kontrolle verliert und abstürzt. So ein "Symptom", was man als Ausdruck einer Krankheit ansehen muss, ist zugleich eine kreative Wahl. Die beste, die diesem Menschen in der Krise eingefallen ist und die irgendwann dann automatisiert abläuft. Subjektiv für diesen Menschen erst mal das Beste, was schnell zur Verfügung stand, aus Abstand betrachtet und im Verlauf aber eben nicht wirklich gut. Dieses Zwangsverhalten hat also wirklich Vorteile, es klappt zu bremsen, aber die Nachteile sind eben doch groß. Klar: Notlösungen sind halt Not-Lösungen. Machen Sie sich (oder Ihrem Kind) also keine Vorwürfe. Ein Zwangssymptom zu entwickeln war erst mal eine ziemlich gute Idee - aber keine wirklich gute.
Bitte dann nicht aufgeben, es lässt sich wieder ändern.
Gut sind dann immer Ratgeber mit Informationen und praktischen Vorschlägen. Das bringt viel. In schweren Fällen sollte man dann aber unbedingt einen Psychotherapeuten/-in suchen. Und wenn´s schlimm ist und sich nicht bald zurückbildet auch mit einem Arzt/Ärztin über Medikamente nachdenken. Als unterstützende Maßnahme helfen die oft wirklich gut.
- Konzentrationsprobleme
(Scheuklappen sind nützlich. Manchmal)
Weil das so wichtig und heutzutage so häufig ist, ein bisschen mehr dazu:
Konzentration heißt: Der Blick wird zentriert. Das bedeutet: Der Blick wird auf ein Zentrum eingeengt, auf das, was man selbst wichtig findet (oder, wenn man tut, was andere wollen, irgendjemand anderer). Die logische Folge ist: Alles andere außerhalb dieses Fokus runtergedimmt und schließlich ausgeblendet. Es ist dann weniger möglich, den Blick wandern zu lassen und nach links und rechts zu schauen. Dieses Zentrieren ist immer wieder notwendig. Aber Vorsicht: Beides ist wichtig, das "Kon-zentrieren" und "De-zentrieren". Mal mehr das eine, mal mehr das andere. Wenn man das De-zentrieren übertreibt, verträumt und verdöst man viel vom Leben und kriegt nichts umgesetzt. Wenn man sich nur auf das kon-zentriert, was Lehrer:innen oder Arbeitgeber wollen, wird man zum Roboter, der nichts anderes kann als wie vorprogrammiert zu funktionieren. Genauso wenn man immer auf das starrt, was die Kumpels machen. Man wird fantasielos, unkreativ und merkt irgendwann gar nicht mehr, wie reich und vielfältig das Leben eigentlich sein könnte. (Darunter leiden Kinder heutzutage oft: Das Pflichtprogramm vieler Kinder ist immens, vieles ist verplant mit allen möglichen Dingen, die die Erwachsenen für wichtig und wertvoll halten. Der Freiraum für selbstbestimmtes fantasievolles Spielen wird klein. Der Reichtum des eigentlichen Kind-Seins verarmt.)
Ob und in welcher Weise es ein echtes Problem ist, merkt man bei einem Kind dann, wenn es selbst darunter leidet. Also wirklich selbst darunter leidet, dass es sich nicht gut zentrieren kann. Viele Kinder finden das nicht so schlimm. Sie leiden mehr indirekt. Daran, dass die Eltern dadurch hilflos, traurig oder wütend werden und weil sie mit lernstoff-fixierten Lehrer:innen Ärger kriegen. Ansonsten, nur für sich selbst, leiden sie vielleicht nicht so sehr. Meist aber eben doch, weil sie sich ja mit anderen Kindern vergleichen. Es gelingt nicht, was die Realität erfordert. Das verunsichert, beschämt und kann verzweifelt machen.
Viele Kinder sind da derselben Meinung wie viele Pädagogen (und Eltern): Die Schule müsste reformiert werden! Sie haben damit völlig recht.
Es gibt also ganz viele Aspekte.
ADHS ?
Wenn´s ein großes Problem wird, weil die Welt ist wie sie ist, ist es verständlich und richtig zu überlegen, ob das Problem mit dem Konzentrieren eine Art Störung oder gar Krankheit ist.
Ganz wichtig: Eltern müssen nicht warten, bis ein Arzt/Ärztin eine Diagnose stellt! Ob das Kind z.B. vielleicht z.B. AD(H)S hat - oder ein "Fast-AD(H)S". Für den praktischen Umgang ist eine Festlegung auf eine Diagnose erst mal gar nicht so wichtig. Sondern: Jetzt muss man als Betroffener kompetent werden, zum Profi werden! Profi über all das, was mit dem Spektrum Kon-zentrieren und De-zentrieren zu tun hat.
Das tatsächliche ADHS ist eine neurologische Entwicklungsstörung im Gehirn. Bestimmte Gehirnregionen sind in ihrer Funktion beeinträchtigt. Manche Transmittersysteme, also die Botenstoffe für die Steuerung von Wahrnehmung und Verhalten, sind nicht in Balance. Am Wichtigsten Dopamin und Noradrenalin.
Da müsst ihr unbedingt bescheid wissen!
Lest bitte Texte über AD(H)S, egal ob ihr Kind von irgendjemandem diese Diagnose hat oder nicht. (Siehe auch den letzten Abschnitt hier beim Absatz Psychosomatik, Anmerkung "der kleine Unterschied" :) Durchblick zu bekommen hilft sehr. Interessant und wertvoll zum Verständnis dafür, was AD(H)S ist, suchen Sie mal Infos unter dem Stichwort "Exekutive Funktionen". Da zu recherchieren lohnt sich sehr.
Sich gut auszukennen spart enorm viel Energie, weil man als Profi (bzw. Immer-mehr-Profi) sicherer zuordnen kann: Dies oder jenes verweigert oder überhört das Kind nicht, weil es ihm egal ist, was wir sagen - sondern weil es das nicht besser kann. Auch wenn es sich Mühe gibt. Das Kind muss dann in kleinen Schritten nachreifen und kommt allmählich in kleinen Schritten auch weiter. Das zu fördern braucht bei den Eltern dann Wissen, Kompetenz und Geduld. Zur Unterstützung sollte man natürlich irgendwann, wenn alle gemeinsamen Bemühungen vom Kind, Eltern und Lehrer:innen nicht erfolgreich sind, auch ärztlich-diagnostische und therapeutische Unterstützung suchen - und in schweren Fällen auch an Medikamente denken. Wenn das Problem so gravierend ist, dass das Kind selbst sehr leidet und auch seine soziale und emotionale Entwicklung gefährdet ist. Am Schlimmsten ist, wenn andere Kinder sich dauergenervt abwenden und das Kind gemieden und ausgeschlossen wird. Nicht aus böser Absicht oder Gemeinheit der anderen Kinder, sondern weil es so anstrengend ist, mit ihm zusammen zu sein. Dann wird's ein echt großes Problem. Voraussetzung für Medikamente ist natürlich, dass man sorgfältig geprüft hat, dass es wirklich ADHS ist - und nicht vor allem emotional Bedingtes.
Nun also ein paar vertiefende Bemerkungen:
1. Kinder mit AD(H)S sind meistens entwicklungsverzögert.
Aber nur in manchen Bereichen. Mal nur kognitiv (s. „exekutive Funktionen“), mal auch emotional und im Sozialverhalten. (Manche auch in der Blasenkontrolle, sie nässen dann noch lange ein. Oder entwicklungsverzögert in ihrer motorischen Geschicklichkeit oder auch ihrer räumlichen Orientierung.) Das ist natürlich total irritierend für Eltern und Lehrer/Erzieher:innen, die das nicht wissen. Dann verhält sich ein 10-jähriges Kind vielleicht teils so reif wie ein 12-Jähriges - und in anderen Bereichen und Situationen wie ein 3-4 Jähriges! Wenn man das begriffen und bei seinem Kind zugeordnet hat, wird´s einfacher. Man checkt dann kurz, wen man grad vor sich hat: Den 12-Jährigen oder den 3-Jährigen? (Übrigens, wenn wir mal ehrlich sind: Manchmal benehmen wir uns ja auch noch so: Mal erwachsen und mal ziemlich kindisch! :)
2. . Stichwort "Kurze Leine".
Wenn Kinder mit ADHS Probleme mit der Selbststrukturierung haben (und das haben in irgendeinem Bereich alle, es äußert sich nur verschieden), brauchen sie mehr Struktur von außen. Das brauchen sie tatsächlich, wegen dieser Entwicklungsverzögerung. Manchmal braucht ein 10-Jähriges dann die strukturierende Kontrolle wie ein 3-Jähriges. Damit es etwa nicht im Verkehr einfach so über die Straße läuft. Und in anderem erstaunt es eben durch die Reife eines 12-Jährigen.
3. Wichtig ist auch: Menschen mit AD(H)S sind labiler und anfälliger bzgl. stressigen Außenreizen. Manche mehr als Gleichaltrige bei elektronischen Medien. Diese Kinder selbst merken das oft gar nicht so, bzw. sie wollen es nicht bewusst registrieren: Sie fühlen z.B. beim Zocken vor allem das positiv Anregende, nicht aber das stressig Aufregende. Das merken andere. Wenn AD(H)S-Kinder mit dem Zocken aufhören sollen, wird´s dann oft für alle stressig. Das Kind ist überdreht, überreizt und in der Selbststeuerung noch mehr gehandikapt als eh schon. Sie sind gestresst und machen Stress. Viele sind auch sehr empfindlich bei Süßigkeiten, besonders bei Schokolade, wenn´s zu viel wird. Sie werden konfus und überdreht. Da können sie nichts zu. Sie sind halt anlagebedingt besonders stressempfindlich. Deshalb können sie auch schneller emotionale Störungen bekommen. Es kostet so viel Kraft, sich trotz des AD(H)S durchs Leben zu kämpfen. Im Vergleich: Es ist so, wie es bei einem Körper wäre, der keine straffen Bindegewebsbänder hätte, zum Bespiel den Meniskus oder die straffen Seitenbänder des Kniegelenkes. Ohne solche Bänder gibt´s nichts zur Stabilisierung außer den Muskeln. Ein solcher Körper kann nicht mal einfach so dastehen ohne permanente Muskelanspannung. In dieser Weise haben AD(H)S-Kinder (im Vergleich also ohne solche straffe Bindegewebsbänder) eine hochtrainierte Muskulatur, die aber eben doch irgendwann erschöpft. Das Tragische: Man sieht´s ihnen nicht an, wie viel sie leisten und wie anstrengend ihr tägliches Leben ist. Man sieht nur: Der kann ja nicht mal 10 Minuten einfach so da stehen. (Wen´s interessiert, weitere gute Beispiele: Es gibt eine Muskelerkrankung durch eine Autoimmunstörung, die "Myasthenia gravis". Da passiert genau das. Es kann dann schon schwer sein, längere Zeit auch nur die Augen offen zu halten. Oder denken Sie an das chronische Fatigue-Syndrom z.B. bei Long-Covid. So ähnlich ist AD(H)S !!!
Gute Pädagogen zu sein reicht dann nicht. Eltern von Kindern mit "Fast-AD(H)S" oder AD(H)S müssen Sonderpädagogen werden.
Das ist anspruchsvoll. Sie sollten sich aber trösten: Sie haben´s objektiv schwerer als Eltern, deren Kinder pflegeleicht durchs Leben gleiten. (Tatsächlich oder nur scheinbar leicht "gleiten".) Da braucht´s manchmal auch ein dickes Fell gegen die Meinung anderer Eltern und/oder schlimmerweise auch mal professionellen Betreuenden. Noch immer gibt´s die vorwurfsvollen Bemerkungen oder Blicke, die sagen: „Die kriegen einfach ihr Kind nicht erzogen!“ Wenn Sie kompetent herausgefunden haben, in welchen Situationen Sie mit ihrem Kind anders umgehen müssen, ist es eben manchmal so, dass andere das nicht verstehen und falsch interpretieren. Weil sie sich nicht auskennen. Haben Sie mit denen dann Verständnis: So ging´s Ihnen selbst ja auch, bevor Sie Sonderpädagog:in für Ihr Kind wurden :) Wenn Sie das schaffen, werden Sie auch die Stärken Ihres Kindes klarer sehen können. Stärken, die Menschen mit ADHS eben häufig haben. Schnelle Abgelenktheit, also "Reizoffenheit", kann kreative Ideenfeuerwerke bewirken. Kann eine vernetzte Wahrnehmung erleichtern. Durch Verknüpfung von scheinbar ganz verschiedenen Dingen gelingen manchmal bahnbrechende Erfolge. Manche berühmten Wissenschaftler:innen und Künstler hatten wohl AD(H)S. Und unter anderem deren AD(H)S-Symptome haben es ihnen ermöglicht, dass sie eben zu Recht berühmt wurden.
Irgendwann sind die Eltern nicht mehr zum Mit-Regulieren zuständig
und ein Mensch mit AD(H)S muss selbst klarkommen. Es wird seine Aufgabe, weiter nachzureifen, Schwächen auszugleichen, mangelnde Kompetenzen zu trainieren - und sich ggf. professionelle Hilfe zu suchen. Auch ihr Leben ist oft anstrengender, aber vielleicht auch interessanter als das von uns Normalos. Zum Trost: Manches regelt sich von ganz allein. Die anderen greifen ein: Ein Manager/Managerin mit ADHS braucht dann eine gute/n Chefsekretär:in, die den Laden im Griff hat, ein zerstreuter Professor/Professorin die sortierenden Hände seiner Assistent:innen, und ein Chef/Chefin bei seinen Frust- und Wutanfällen Leute um sich, die ihn/sie sanft aber wirkungsvoll unbeeindruckt wieder auf den Teppich bringen. Er/sie allein würde vielleicht nichts zuwege bringen außer Durcheinander, aber als Team von allen zusammen wird´s vielleicht genial :)
- Probleme im Sozialverhalten,
Kommunikation, Kontakt- und Beziehungsfähigkeit
Sich hier zu entwickeln und zu reifen ist für jeden Menschen enorm wichtig. Sich in Begegnungen einlassen. Freunde finden. Aber auch Abstand halten lernen zu Leuten, die einem nicht gut tun. Kompromisse eingehen zu können und zu wollen, wo jeder/jede zu seinem Recht kommt. An seine eigenen Fähigkeiten glauben und seine Grenzen akzeptieren. Mit Frust umgehen lernen. Merken und sich eingestehen, dass man sich immer mal irrt. Selbstbewusst und bescheiden werden. Und wenn man wirklich weise werden will: Humor entwickeln.
Manche Menschen können das nicht ausreichend gut. Z.B. Ihre Impulse erst mal zu bremsen. Dass sie nicht ohne nachzudenken übereilt etwas tun. Kopflos und planlos. Solche Regulationsschwierigkeit im sozialen Verhalten gibt´s häufig bei manchen Ausprägungen eines ADHS, aber auch unabhängig. (Also s.o. Artikel Konzentration und zum Stichwort "Exekutive Funktionen" recherchieren. Dann begreift man eine Menge.) Natürlich und leider gibt´s natürlich gezielt, bewusst und absichtsvoll eingesetzte Gewalt bis hin zu Kriminalität. Dazu wissen Sie aber wahrscheinlich schon viel. Die ist aber vermutlich - schwer zu sagen - seltener als impulshaft-undurchdachte Handlungen. Bei Kindern sowieso.
- Querköpfe
In der Kindheit sind sie oft anstrengend. Eben weil sie sich immer wieder quer stellen. Gerade gegenüber dem, was Erwachsene für wichtig halten. Stur, bockig, eigensinnig. "Schwer-erziehbar" nannte man´s früher. Aber, Überraschung: 10 Jahre später sieht man sie vielleicht ganz anders: Als originelle wache Geister, gradlinig, die mit klarem Blick unbeeindruckt ihren Weg gehen und sich von der mainstream-Meinung nur wenig beeinflussen lassen. Manche werden vielleicht später als genial angesehen.
Was stimmt denn nun: Ist dieser Mensch anstrengend-schwierig oder genial? Tja, sagen wir mal: Als Möglichkeit stimmt beides. Entweder-Oder - oder Und: Anstrengend-genial. Manche sehen nur das eine, andere schon auch das andere. Erst wenn’s ausreift, zeigt sich ihre Wahrheit. Wie sie werden können, wenn sie ihren Weg finden. Wenn man's ihnen nicht zu schwer macht, ihn finden zu können. Und hoffentlich, ohne dass sie zu viele Schuldgefühle in sich tragen, wem sie als Kind das Leben mit ihnen schwer gemacht haben.
- Autismusspektrum-Störungen (ASS)
In geringerer Ausprägung ist ASS gar nicht selten. Böse Zungen (meist die bösen Zungen von bösen Frauen :) sagen sogar, 20 % aller Männer seien autistisch. Wissenschaftlerinnen tendieren zu dieser Einschätzung. Männliche Wissenschaftler eher nicht :)
Das Wichtigste ist, dass man nicht so schnell in Kategorien "gesund-krank" oder "richtig-falsch" denkt. Dann setzt man "ungewöhnlich" mit krank gleich. Jeder Mensch ist anders. Das nennt sich dann "Neurodiversität". Ein großes Spektrum, wie Menschen sein können. (Siehe oben der Absatz "Jeder ist ein bisschen speziell")
Es ist allerdings schwer, anders zu sein. In einer menschlichen Kultur zu leben, wo emotionale persönliche Beziehungen einen hohen Stellenwert haben. Kognitiv und emotional reifere, "hochfunktionale" Autisten werden oft depressiv. Gerade wenn sie jung sind. Sie spüren den Wunsch nach nahen Beziehungen und merken, dass es ihnen aufgrund ihrer Besonderheit nur so schwer gelingt. Es ist für sie so viel schwerer, zu einem anderen Menschen eine Brücke zu bauen. Ihm nahe zu kommen. Weil es so leicht und so oft passiert, dass ihr Verhalten als emotional kalt, abweisend, arrogant, egozentrisch oder gar egoistisch interpretiert wird. Als gäben sich diese Menschen keine Mühe, mal ein bisschen einfühlsam zu sein. Als seien ihnen die Mitmenschen egal. Das ist grundfalsch - und fatal. Das Gegenteil ist der Fall: Menschen mit ASS vollbringen eine enorme Leistung. Das, was die meisten Menschen intuitiv und mehr oder weniger mühelos können, nämlich unmittelbar aus Mimik, Gestik, Tonfall und Andeutungen andere zu verstehen, müssen sie mühsam lernen. Quasi wie eine Fremdsprache, die mit der eigene kaum Gemeinsamkeiten hat. Eine enorme Anpassungsleistung. Das nennt man auch "Maskieren": Um bloß nicht missverstanden zu werden und um irgendwie in die menschliche Gemeinschaft hineinzufinden, versuchen sie nicht aufzufallen. Diese Fremdsprache so gut zu lernen, als könnten sie es intuitiv fühlen, was für andere Menschen selbstverständlich ist. Was aber eben durch diese Besonderheiten in den Funktionen dieser Hirnregionen nicht richtig gelingt. Sie haben, wie andere eine Lese- und Rechtschreibstörung, ebenfalls eine Teil-Leistungsstörung: Sie können ganz viel, sind vielleicht in allen anderen Lebensbereichen völlig normal, aber die Teilleistung "soziale intuitive Kommunikation" gelingt nur mit Einschränkungen. Sie sind in einer besonderen Weise tatsächlich behindert: Mit ihrer kognitiven Grundausstattung können sie quasi nur logisch denken. Das ist ein echtes Handikap: Das sozial-emotional Wichtigste kommuniziert man nicht logisch. Im Wesentlichen nicht. In normalen Gesprächen machen wir ironische Andeutungen, flechten Witze ein, Sprichworte, Anspielungen, eindeutige Zweideutigkeiten ... Ohne Vorankündigung. Ohne dass dieser Mensch mit ASS rechtzeitig ein Signal bekommt: Achtung, umschalten, jetzt kommt was Nicht-nur-Normal-Logisches. Darin besteht für Autisten die Fremdheit dieser Fremdsprache. Sie hat ihnen unbekannte Regeln. Folgt einer rational- Irrationalen Logik - und man weiß auf die Schnelle nie, welche Logik grade gilt.
Computer sind diesbezüglich genauso überfordert. (Noch, vermutlich. Die selbstlernenden Programme werden immer besser.) Sie können nur logisch, sonst kommt's zu Fehlern, wenn nicht gar zum Systemabsturz. Es erscheint "Error".
Auch Menschen mit ASS entwickeln sich weiter, aber viel langsamer. Wie ein Mensch mit LRS brauchen sie ein therapeutisches Training. Kompetenten Fremdsprachenunterricht. Um sie darin zu fördern, was sie eigentlich ja sowieso versuchen, aber oft erfolglos: Diese ihnen so fremde Fremdsprache immer besser zu lernen. Und natürlich um ihr Selbstwertgefühl zu bestärken: Anzuerkennen, wie viel Mühe sie sich geben. Wertzuschätzen, wo sie überall ganz normal prima zurecht kommen und welche besonderen Stärken die hochfunktionalen Autisten grade auch durch ihren Autismus haben. Da gibt es nämlich einiges, was viele "neurotypische" Normalos auch gerne können würden. Und natürlich: Die Therapie muss verhindern, dass sie depressiv werden.
Permanente Misserfolge und Missverständnisse lassen verzweifeln. Dann begeht ein Mensch mit einem solchen hochfunktionalen Autismus Suizid, weil er emotional reifer ist als andere mit ASS: Er nimmt schonungslos bei sich wahr, dass er nur so schwer Brücken zu anderen Menschen bauen kann. Es gelingt nicht. Das ist wirklich tragisch. Zum Glück gelingt es den meisten aber doch ganz gut, sich ein Leben aufzubauen, in dem sie zufrieden sind. Oder auch immer mal glücklich.
Bedenken sollte man: Nicht wenige Menschen mit ADHS haben auch Verhaltensweisen, die beim Autismus voll ausgeprägt sind. Es gibt da einen großen Überschneidungsbereich. Man kann es dann verwechseln, z.B. die mehr zu ADHS passende Symptomatik darin übersehen und kurzschlüssig zu denken, das sei Autismus. Zum Teil stimmt es vielleicht. Das zu bedenken ist wichtig, weil ADHS viel häufiger als ASS ist - und ziemlich gut therapierbar. Also bitte gut informieren, bzgl. ADHS gerne auch hier im Absatz "Konzentrationsstörungen".
- Ticks.
Das sind plötzliche unwillkürliche muskuläre Zuckungen oder Geräusche und Laute. Die gibt´s bei kleinen Kindern nicht selten. Manchmal nur kurz und nur ein paar Monate lang, manchmal kommen immer wieder mal solche Phasen. Zum Teil ist´s ein Stresssymptom und braucht keine spezifische Behandlung. Das Beste ist, wenn die Eltern und Geschwister das einfach ignorieren, dann lassen sie oft nach. Das Kind will sie nicht ärgern oder provozieren, wenn es bestimmte Bewegungen oder Geräusche macht. Es kann nicht anders. Besser als manche Eltern machen´s die Spielkameraden. (Die wundern sich kurz und finden´s merkwürdig, dann aber vergessen sie´s beim Spielen. Es ist ihnen schnell egal. Das ist natürlich toll.) Gezielte erfolgversprechende Psychotherapiemethoden gibt es, darin erfahrene Therapeut:innen allerdings schwer zu finden. Bei einer hohen Beeinträchtigung sollte man auch hier an Medikamente denken. Wenn das Kind sich durch die Ticks sehr beeinträchtigt fühlt wohlgemerkt. Wenn die Eltern vor allem darunter leiden, müssen sie sich in erster Linie fragen, was genau sie dabei so stresst.
- Probleme bei Fähigkeiten,
die man speziell in Schule, Ausbildung und Beruf braucht
Da gibt es verschiedene Leistungstests an, z.B. bzgl. Rechtschreibung, Lesen, Rechnen. Das sind sogenannte Teilleistungsschwächen. In einem Teil ist die Leistung geschwächt. Sonst ist das Kind voll durchschnittlich fit. Mit Rechtschreib-, Lese- und Rechenschwäche ist´s im Prinzip ganz genauso, wie wenn jemand unmusikalisch ist oder motorisch unbeholfen-unsportlich ist ... Schade, aber ja eigentlich nichts Schlimmes, sollte man meinen. Leider spielen aber in unserer Kultur insbesondere Lesen und Schreiben eine Riesenrolle. Das ist nicht selbstverständlich. Die menschliche Kultur existierte Zig-Tausende von Jahren vor Erfindung der Schrift auch. Und einen wie hochkomplexen Denkapparat, wie viel Wissen und Fähigkeiten hat bereits ein Vorschulkind! Ohne lesen und schreiben zu können. Damals gab´s ebenfalls hochdifferenzierte Kulturen, die nichts im uns bekannten Sinne in Schriftform festhielten. Es gab dort andere Fähigkeiten und Techniken, Informationen abzuspeichern. Z.B. ein perfektes Gedächtnis. Keine Schrift zu haben hat fürs Denken und Erkennen Nachteile, aber eigentlich auch viele Vorteile. Die zu wenig beachtet werden. Wenn man etwas schriftlich "fixiert", ist es eben fixiert. "Festgeschrieben". Man ist in Gefahr zu meinen: Das gilt jetzt. Das ist gültig. Oder gar: Das ist wahr. Ich sehe es jetzt Schwarz auf Weiß. Es ist ein enges Raster entstanden. Es suggeriert, man hätte das Wichtigste begriffen. Wörter zu nutzen zwingt, sie möglichst exakt zu definieren. Sie zwingen in eine vor allem klar definierte logische Nutzung. Und Logik erfasst eben nur einen Teil der Wirklichkeit. In den Vordergrund tritt die Informationsvermittlung. Ganz anders aber ist es, als wenn jemand mündlich erzählt. Wenn, wie in vielen Kulturen ohne künstliches Licht, abends am Lagerfeuer erzählt wird. Geschichten. Lustiges, Originelles, Unterhaltsames, nachdenklich-betroffen Machendes .... Da geschieht ebenfalls Informationsvermittlung, aber viel mehr als das: Es ist eine Darstellung. Ein Gesamtkunstwerk. Mit Gestik und Mimik, Sprachmelodie und -rhythmus, mit allen Zwischentönen, mit rational Definierbarem und "Irrationalen". Also viel reicher als Informationsvermittlung. Vielschichtiger. All das wäre eine Welt zwischen den Buchstaben. Zwischen den Zeilen. Vielleicht geheimnisvoll. Was für ein Unterschied erlebt man im Licht eines Feuers und in dem einer Halogenlampe! Also lebendig erzählen und zuhören zu können ist viel reicher als korrekt lesen und schreiben zu können. (Klar, wenn man sich in einen Roman oder Abenteuergeschichten oder Gedichte einfühlt, kann auch so ein Reichtum entstehen.) Ähnlich ist's in der Musik mit Noten. Auch das ist eine Schrift, die die eigentliche Musik gar nicht abzubilden vermag. Auch durch Noten entsteht ein enges Raster. Wer sich daran hält kann sogar unmusikalisch werden: Eine notierte Musik, die man metronomisch exakt spielt, kann nicht atmen. Ein Jazz-Feeling ist mit Noten nicht möglich. Noten sind nur eine Orientierung für das Eigentliche. Und welche Note hat der Klang einer afrikanischen Trommel? Eben. Noten sind bloß ein Hilfsmittel. In manchen Aspekten nützlich.
Andererseits, nicht zu leugnen und in unserer Kultur eben wahnsinnig wichtig: Die Vorteile, eine Schrift zu haben, sind groß. Jedenfalls in einer Informations-Gesellschaft. Und, ganz simpel: Jetzt ist nun mal so. Nun müssen wir´s so hinnehmen und das Beste draus machen: Bei uns sind nun mal Deutsch und Mathe die wichtigsten Hauptfächer. Für manche Menschen ist's echt schwer. Wer in einem von beiden schwache Leistungen zeigte, galt früher als ungebildet und/oder minderbegabt und/oder faul. Und die Eltern eines solchen Kindes galten für manche als gleichgültig und vernachlässigend. Dieser Kurzschluss existiert in manchen Köpfen noch immer. Sogar, so unglaublich es klingt, in den Köpfen mancher Lehrer:innen.
Im Prinzip braucht es keine Testung, damit ein Kind in der Schule Förder-Unterricht oder auch ein Nachteilsausgleich bekommt. Erfahrene gut beobachtende Lehrer:innen und Eltern können das auch so meist ausreichend gut beurteilen, teilweise sogar sicherer differenziert. Z.B. welchen Anteil an Fehlern mangelnde Lernmotivation hat. Bei einem Test lässt sich das nur erraten. Ob sich ein Kind vor allem sträubt oder über den Schulbetrieb insgesamt unglücklich ist. Weil das Leben eine Mühsal wird. Wenn Schule Kopfschmerzen macht. (Haben Kinder oft). Also bitte keine Vorwürfe. Wenn ´s eine Lese- oder Rechtschreib- oder Rechenstörung ist braucht’s eine spezifische Lerntherapie. Die muss spezifisch sein. Eine normale Nachhilfe reicht dann nicht. (Ähnlich ist's mit dem, was ein Sportlehrer kann und was ein Physiotherapeut tut. Einfach normal trainieren passt nicht. Das natürlich auch. Weil dieses Unvermögen eben auf einer Krankheit beruht.)
Bzgl. dem Schulischen mal kurz konkret: Wie man´s bei solchen Teilleistungsstörungen mit der Notengebung macht ist abzuwägen. Manche Kinder wollen Noten bekommen. Sagen sie zumindest. Meist aber ist es von Nachteil oder sogar schädlich. Die Benotung bestätigt dann ja lediglich, dass eine solche Störung schlechtere Leistungen zur Folge hat - was man eh weiß - und bedeutet für das Kind nur noch eine zusätzliche Frustration. Es wäre ja gleichermaßen unsinnig, die Leistungen eines körperbehinderten Kindes im Sportunterricht nach denselben Maßstäben der motorisch gesunden Kinder zu bewerten.)
Gut sind aber Testungen auch dafür, um zu schauen, ob ganz andere Defizite dazu beitragen, dass Lesen/Schreiben oder Rechnen so schwierig für ein Kind zu lernen ist.
Ganz wichtig ist´s, sehr gut auf den Leidensdruck der Kinder zu schauen. Das ist nämlich sehr verschieden. Manche Kinder haben mit Rechtschreibschwächen gar kein so großes Problem, sie leiden mehr indirekt: Daran, wenn Eltern und Lehrer sauer werden, ungeduldig, vielleicht vorwurfsvoll ... und sie immer wieder üben müssen und trotzdem nur so wenig Fortschritte machen ...
Man braucht bei einer Diagnostik natürlich auch mal Intelligenz-Tests. Manchmal sind die total wichtig. Manche Kinder brauchen länger und häufigere Erklärungen. Sie haben primär keine Konzentrationsstörungen. Sie sind vielleicht in anderer Hinsicht besonders schlau oder begabt. Zum Beispiel musikalisch. Wenn ein Kind in einer Förderschule war, kommt es vielleicht im Alltag manchmal besser durchs Leben als ein/e Hochbegabte/r.
Bei Intelligenztests betonen wir immer, welche besonderen Fähigkeiten mit Intelligenztests alle nicht gemessen werden. Z.B. die Genialität eines Fußballers/Fußballerin oder oder eines Kochs/Köchin oder von Künstler/-innen ... Und wie die meisten von uns ja schon mal erlebt haben: Manche rational "Hochbegabten" können z.B. emotional ziemlich beschränkt sein. Sozusagen „tiefbegabt". Intelligenztests sind nützlich, man darf ihre Aussagekraft aber nicht überschätzen. Sie sind 1 Mosaikstein in der Diagnostik. Manchmal ist das Testergebnis selbst auch gar nicht so relevant, die ermittelten Werte besagen gar nicht viel, sondern die Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen zeigen sich vor allem in der Verhaltensbeobachtung. Also wie ein Kind so einen Test macht. Darauf legen wir bei der Interpretation immer großen Wert.
- Essstörungen
sind häufig. Das Risiko, dass sich eine Essstörung entwickelt sehr häufig. Ich greife hier mal nur eine davon auf, nämlich die Magersucht. Beispielhaft. Als die neben der Bulimie wahrscheinlich schwerste Störung. Die Benennung "An-orexie" ist eigentlich ganz falsch. Magersüchtige nehmen nicht ab, weil sie "keinen Hunger" haben (das wäre passend zur Bedeutung dieses Wortes im Griechischen), sondern weil sie diesen Hunger unterdrücken und sich zu essen verbieten. Aus sehr komplexen Gründen: Wenn man's aus psychodynamischer Perspektive betrachtet (es gibt natürlich noch viele andere) ist Magersucht oft eine Verzweiflungstat: Vielleicht um in Ohnmachtsgefühlen wieder Kontrolle zu erlangen, vielleicht um sich strukturieren zu können und nach innen und außen abzugrenzen, vielleicht um bei den körperlich-seelischen Veränderungen die Notbremse zu ziehen oder den Eltern zu signalisieren: Etwas ganz Wichtiges läuft völlig falsch ... wählt dieser Mensch den Weg, sein Essverhalten zu kontrollieren. Er beweist sich und allen: Ich bin unabhängig von dem, wovon andere abhängig sind, nämlich genug zu essen. Alle anderen geben diesem biologischen Trieb nach, weil das das Fundament der Selbsterhaltung ist.
Bei circa der Hälfte der Magersüchtigen wird die Essstörung chronisch, bis zu 10 % sterben. Auf der anderen Seite ist Magersucht aber nicht psychologisch zu deuten. Das greift zu kurz. Es ist aus biologischer Perspektive eine neurologisch-psychiatrische Krankheit, die immer auch hirnorganisch mitbedingt ist. Leider gibt es noch keine wirklich erfolgreiche Therapie. Immerhin: Psychotherapeutisch versucht man, diesen Menschen zu unterstützen, den Kampf gegen diese Krankheit zu gewinnen. Diesen inneren Zwang zu besiegen. Soweit das möglich ist. Zumindest also in dem Maß, dass neu gelernte Verhaltensweisen die permanent drohende Rückfallgefahr eingrenzen können und dieser Mensch nicht erneut in Lebensgefahr gerät.
Medikamente, die spezifisch bei einer Magersucht wirksam helfen, gibt es leider noch nicht. Aber immerhin welche, die ein bisschen erleichtern können. Da Magersüchtige oft auch depressiv sind, helfen manchmal Antidepressiva. Manche von denen haben auch die Wirkung, zwanghafte kognitive Verhärtung und Erstarrung zu lösen. Dass dieser Mensch wieder flexibler denken und fühlen kann. Andere Lösungswege in den Blick bekommt. Dass professionelle Hilfe und vor allem die Selbsthilfe erfolgreicher sind und das Ziel erreicht werden kann: Dass es gelingt, flexiblere vielfältige Wege von Problemlösungen zu finden - und dabei auch das Essen genießen zu können. Hoffentlich findet man eine solche medizinische Hilfe bald. Es ist wirklich eine schwere Krankheit.
Schlimm ist´s meist für die ganze Familie. Magersucht wirkt wie ein Zwang. Der ist so mächtig, dass teils nur Zwangsandrohungen mithelfen, dieser Macht eine andere Macht entgegenzustellen. Nämlich dass die Eltern eine stationäre Behandlung durchsetzen. Das gegen den Willen des eigenen Kindes zu tun ist wirklich hart. Zumal die Eltern ja erleben, wie schrecklich diese Vorstellung für ihr Kind ist. Die ganze Familie hat dann letztlich nur die Wahl, welchen Zwang sie für den weniger schlimmen hält. Die Magersucht erzwingt irgendwann den Tod. Es ist furchtbar schwer.
Das nur mal zu ein paar wichtigen Aspekten. Erschwerend kommt heutzutage hinzu - und das sagen die Jugendlichen auch selbst - ein oft völlig unnatürliches und realitätsfernes "Schönheits"-Ideal von Schlankseinmüssen, das ganz viele Mädchen verinnerlichen, und was auch soziale Medien leider ständig aufrecht erhalten. Das hat eine enorme Macht. Es ist für Mädchen heutzutage schwerer als früher, ein entspanntes Verhältnis zum eigenen Körper zu entwickeln. Es wird schwer zu erkennen: Schönheit und Schlank-Sein ist erst mal etwas völlig Verschiedenes. Ganz viele junge Mädchen machen eine Diät (!). Das Risiko wird hoch, dass da eine Eigendynamik entsteht, die dann in eine tatsächliche Essstörung führt, aus der nur noch schwer herauszukommen ist. Es ist echt tragisch.
- Selbstverletzendes Verhalten
gibt es in emotionalen Krisen in der Pubertät und Adoleszenz häufiger. Wenn ein seelischer Schmerz schwerer auszuhalten ist als ein körperlicher. Wenn man bald eine andere Lösung findet ist das erst mal auch nicht unbedingt schlimm. Wenn man das aber immer wieder macht, keine anderen stressmindernden Methoden findet, sich niemandem damit anvertraut etc... kann es zur Gewohnheit werden. Das Verhalten wird automatisiert. Der Gedanke: Was könnte mir jetzt noch helfen, was keine Verletzungen erzeugt, kommt irgendwann gar nicht mehr. Das wäre aber das Wichtigste. Andere Wege finden, schwer auszuhaltende Spannungszustände anders zu regulieren. Erst mal als "Nothilfekoffer" mit den sogenannten "skills", aber natürlich möglichst bald grundlegender. Was kann dazu beitragen, dass sich solche inneren Spannungen gar nicht erst so ins Unerträgliche aufbauen? Wie kann ich anders mit mir umgehen? Schneller erkenne, bevor ich im Wildwasser in diesen Strudel gerate?
Dissoziationen
sind etwas sehr Besonderes und Eigenartiges.
Dissoziiert bedeutet entkoppelt, abgelöst, etwas verliert die sonst selbstverständliche Integration, Verknüpfung, Verbindung und Kommunikation. Wir kennen im Primzip solchen Dissoziationen alle aus dem Alltag: Bei Routinetätigkeiten wandert unser Bewusstsein woanders hin. Auch z.B. beim Autofahren, auf Fahrten zum Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Eigentlich müsste das bewusste Denken, Planen und Steuern doch voll mitbeteiligt sein. Stattdessen fährt man im Autopilot. Sehr sicher, weil man bei Überraschendem, z.B. Gefährlichem, dann doch „aufwacht“, aber vielleicht steht man plötzlich vor seiner Werkstatt und stellt fest: Eigentlich wollte ich doch ganz woanders hin! Der Autopilot hat die Steuerung übernommen, weil das Bewusstsein mit was anderem beschäftigt war.
Solche Dissoziationen sind normal. Bewusstsein und Automatisiertes hat sich nur vorübergehend voneinander gelöst, aber nicht längerfristig entkoppelt.
Wenn das passiert nennt man´s eine dissoziative Störung. Die gibt´s in ganz verschiedener Weise. Zum Beispiel:
Jemand kommt wieder voll zu Bewusstsein und stellt fest, dass er an einem ihm völlig unbekannten Ort ist. Vielleicht Hunderte Kilometer vom Zuhause entfernt. (Das nennt sich „dissoziative Fugue“.)
Oder jemand kann plötzlich nicht mehr normal laufen. Manche Muskeln sind wie gelähmt. Manche brauchen dann sogar einen Rollstuhl. Diese Muskeln reagieren nicht mehr auf die Befehle des bewussten Willens. Dieser Mensch steht da, möchte einen Schritt vorwärts gehen und das Bein bewegt sich keinen Millimeter. Wie bei einer sonstigen Lähmung ist die Bewegung nicht möglich. (Das ist dann eine „dissoziative Bewegungsstörung“)
Oder, nur kurz erwähnt: Jemand kann plötzlich nichts mehr sehen oder hören („dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörung“), oder hat Krampfanfälle, die wirken als wären es epileptische Anfälle aber keine sind, oder jemand wirkt wie bewusstlos, ist durch Ansprache nicht erreichbar, wirkt „wie weggetreten“. Solche Zustände können über viele Stunden anhalten. („Dissoziative Stupor“).
Auch kann es zu einer Störung des Erlebens kommen, wo ein Mensch sich nicht mehr als einheitliche Person, also als Individuum erlebt, sondern als gäben es in ihm verschiedene Personen, die wie eigenständig handeln. Früher nannte man das „Multiple Persönlichkeit“, jetzt aber „dissoziative Identitätsstörung“.
Diese Dissoziationen sind sehr eigenartige Phänomene. Schwer zu begreifen und wissenschaftlich zu enträtseln.
Ganz wichtig: Diese Funktionsstörungen beruhigen nicht auf Einbildung oder dass der betroffene Mensch nur anderen etwas vormacht. Nur so tut, als könne er nicht laufen. Das ist völlig falsch: Er kann tatsächlich nicht laufen. Es entzieht sich seinem bewussten Willen.
So etwas wird dann „psychogen“ genannt, also psychisch verursacht. Das ist aber irreführend. Es drohen Kurzschlüsse und Missverständnisse. Solche Dissoziationen kann man sicherlich auch neurologisch beschreiben und in der Zukunft mal umfassend erklären. Es geschieht etwas, was irgendwo die Signalübertragung zwischen dem Großhirn und den Nerven im Rückenmark hemmt oder vollständig verhindert. Zum Beispiel, indem die Weiterleitung von Nervenimpulsen durch andere Zentren im Gehirn blockiert wird. Zentren, die unterhalb der Bewusstseinsschwelle funktionieren und handeln. Man kann das natürlich „unbewusst“ nennen. Bei posttraumatischen Belastungsstörungen passiert das z.B. Die spielen oft bei einer dissoziativen Symptomatik eine Rolle und können sie verursachen. Zum Schutz vor Überforderung, z.B. einer Überflutung durch panikerzeugende wird die bewusste Wahrnehmung ausgeschaltet.
Wie bei der Sicherung im Haushalt: Bei Überlastung des Stromnetzes wird der Strom abgeschaltet. Das ist eine kluge Erfindung.
- Lebensmüde Gedanken
zu haben ist nicht gleichzusetzen mit Suizidalität.
Bei tatsächlichen Suizidideen entsteht meist bereits ein konkreter Plan, das Denken wird immer mehr eingeengt, Hoffnung auf eine Zukunft zerfällt. In Reifungskrisen kommt es zu solchen Gedanken/Empfinden von Lebensmüdigkeit häufig. Also besonders bei Jugendlichen in der Pubertät oder Adoleszenz. Das ist natürlich ein Warnsignal. Diesem Menschen scheint alles blockiert, der einzig verbleibende Akt von Freiheit scheint nur noch der Fluchtweg in den Tod zu sein. Es wird gefährlich wenn das niemand merkt. Sie es, weil es so verborgen und geheimgehalten bleibt, sei es, dass niemand überhaupt hinschaut, wie es diesem/-er Jugendlichen geht. Alles andere ist wichtiger. Das Gefühl: „Niemanden interessiert, wie es mir wirklich geht“, stimmt dann vielleicht. Und deshalb kriegt es keiner mit. Das ist dann bestürzend. Ein „Wer hätte denn das ahnen können!“ ist dann eine Selbsttäuschung, vielleicht sogar: ein Sich-selbst-Belügen. Wenn man hingeschaut hätte, hätte mans vielleicht merken können.
Man darf eine solche Lebens-Müdigkeit aber keinesfalls nur als negativ ansehen. Es ist auch ein Ausdruck von Mut. Denn es heißt ja: Dieses Mädchen/dieser Junge will nicht irgendein Leben, das irgendwie erträglich ist, sondern möchte ein gutes Leben. Das er/sie selbst gestalten möchte. Eigene Ziele verwirklichen. Und was schwer ist, scheint manchmal zu schwer zu sein. Unerreichbar. Dann entsteht verständlicherweise Mutlosigkeit, Erschöpfung, vielleicht sogar Resignation und "Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr." Die Vorstellung von so einer Art von 'Leben' macht müde.
Natürlich muss man sehr wachsam sein. Es bleibt oft verborgen. Suizidversuche geschehen dann, wenn in einer tiefen Verzweiflung irgendwann die Selbstkontrolle versagt. Wenn die eigene Überzeugung oder zumindest der feste Vorsatz: "Ich denke zwar immer wieder dran, aber tun würd ich das auf keinen Fall" nichts mehr aufhält. Denken Sie dran: Kinder und auch anstrengende Jugendliche sind oft sensibel und fürsorglich. Sie möchten die Eltern nicht mit ihrem Leiden belasten. Sie leiden für sich. Wenn sie das Gefühl haben: Die Eltern sind selbst so gestresst, am Ende ihrer Kräfte und mit sich selbst beschäftigt, dass sie das nicht verkraften, wenn ich offen und ehrlich von mir erzähle.
Wenn Eltern mit ihren Kindern im Gespräch sind, passiert das nicht so leicht. Dafür ist´s gut, diesen Unterschied zu beachten: Nicht Leben-Wollen heißt grundsätzlich erstmal: Nicht so weiterleben wollen, wie sich das Leben jetzt anfühlt. Dann fällt´s Jugendlichen leichter, das anzusprechen. Wenn Eltern das dann noch aus ihrer eigenen Jugend (oder in späteren Krisen) kennen, muss es nicht zu viel Angst machen. Es ist schwer, sich ein eigenes Leben zu erkämpfen. Manche schaffen das bis ins hohe Alter nicht. Sie gehen einfach immer weiter geradeaus, auf demselben Weg, der schon in früher Kindheit vorgebahnt war. Wenn´s keine Anstrengung für eine Suche gibt, gibt´s auch keine Müdigkeit.
Auch da kann man also von Jugendlichen lernen. Von ihrem Suchen und Drängen und dem unbedingten Wunsch: Das Leben muss doch mehr sein als Schule, Arbeit, Rente, Seniorenheim und Tod.
- Einsamkeit
ist leider sehr häufig.
Bei alten Menschen, deren Partner gestorben ist, versteht man das ja sofort. Aber es gibt sie, besonders seit dem Corona-Lockdown, auch bei vielen jungen Leuten. Erschreckend vielen. Man erfährt es nur meist nicht. Wer dies Gefühl und die Erkenntnis "Ich bin einsam" bei sich zulässt – oder es zulassen muss, weil es eben in eine Krise treibt– trägt eine schwere Last. Droht die Hoffnung zu verlieren. Schlimm bei Einsamkeit ist, dass man so vieles verliert: Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Freundschaftlichkeit von anderen, aber es fehlt auch, selbst jemandem Nähe und Liebe schenken zu können. Das ist mindestens genauso schlimm: Nicht empfangen und nicht geben zu können.
Allein zu sein ist etwas völlig anderes als einsam. Jeder Mensch ist letztlich allein. Das ist auch wertvoll. Sich Zeit für sich selbst zu geben, sich aus Trubel zurückziehen, sich einen Schutzraum zu errichten. Manche Menschen brauchen das sehr, andere können es nur schwer ertragen. Wer sich vorm Allein-Sein fürchtet, trägt wahrscheinlich viele Ängste in sich. Die hochkommen, wenn es weniger Ablenkung gibt. Das zu merken ist anstrengend, aber eine Chance, seine so große Angst zu verstehen - und irgendwann loszuwerden.
Man darf sich Gefühle von Einsamkeit eingestehen. Das ist leichter, wenn man weiß, dass es vielen so geht. Dann entstehen auch Ideen, welche Möglichkeiten es gibt, die man nur noch nicht sieht.
Bei den jungen Menschen aber reicht es nicht, ihnen quasi psychotherapeutisch die Arbeit zuzuschieben. Die Politik (s.u.) ist gefragt. Also wir alle. Wenn die Zukunft bedroht ist ist's schwerer, Zuversicht zu haben. Die Alten können gelassen sein: Sie sind ja dann schon tot. Wenn´s durch die Erderwärmung ein Hitzetod ist, passiert´s halt ein bisschen früher. Also nicht weiter schlimm.
- Sinnestäuschungen
gibt es nicht.
Die Sinne selbst täuschen nicht. Sinnesorgane sind Sensoren, die Informationen weiterleiten. Und dann geht´s weiter mit der Verarbeitung dieser Daten, die in verschiedenen Hirnregionen nacheinander und teils parallel stattfindet. Da entsteht das eigentliche Problem. Da, wo das Gehirn aus den eingehenden Informationen ein Bild gestaltet und wie es diese mit dem Emotionalen verbindet. Die Täuschungen entstehen dann durch diese abschließenden Interpretation: Bei einer kompletten Rot-Grün-Blindheit denkt dieser Mensch: Es gibt nur wenig Farben, das meiste in der Welt ist Grau in Grau. Bei starker Kurzsichtigkeit ist die Welt verschwommen. Wenn man dann meint, man wär zu dumm, so wie andere einen klaren Blick zu haben, stimmt das nicht: Fast alles beim Auge funktioniert großartig, aber leider ist der Augapfel zu lang und dadurch zu weit weg vom Brennpunkt. Wenn man das bei Kindern nicht frühzeitig erkennt und erklärt, denken die das vielleicht viele Jahre lang: Ich bin zu dumm. Davon wird dann ihr Lebensgefühl beherrscht. (Das ist häufiger, als man denkt. Kinder mit einer auch nur leichten Kurzsichtigkeit können dann an derTafel gar nicht mehr sicher scharf erkennen, was die Lehrer/Lehrerin aufgeschrieben hat. Sie kriegen dadurch manches nicht mit. Genauso schlimm oder sogar folgenreicher ist´s bei einer unentdeckten Schwerhörigkeit.)
Eine Sinnestäuschung entsteht auch durch eine rosarote Brille. Wenn Menschen sich vormachen, alles sei wunderbar. Ebenso durch eine düstergraue Brille. In dieser Weise führen auch Depressionen und Ängste zu "Sinnestäuschungen". Es sind Abweichungen von der für diesen Menschen normalen Wahrnehmung, wenn es ihm gut geht.
Anderes Beispiel, jetzt mal aus der Psychiatrie: Auch Halluzinationen bei einer Schizophrenie sind für diese Menschen ihre subjektive Wahrnehmung. Die Interpretationen ihrer Wahrnehmung. Sie sehen ja tatsächlich, was durch die Halluzination auf ihrer inneren Kinoleinwand erscheint. So dass sich ihre Wirklichkeit von der der normalen (also der Norm entsprechenden) Menschen entkoppeln kann. Dadurch droht, dass sie aus der menschlichen Kommunikation herausfallen. Werden auch dadurch noch mehr verstört. Da ja nun jeder Mensch erstmal das glaubt, was er sieht und für real hält, sind viele von ihnen umso mehr von dieser Realität so völlig überzeugt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, durchs Gespräch mit anderen ihre paranoid wahrgenommenen Welt mal aus anderen Perspektiven zu betrachten und eine neue Deutung zu finden. Die Kommunikation geht in dieser Hinsicht dann also gar nicht mehr. Wenn das so weit ist, geht’s leider nicht ohne Medikamente, um die Menschen aus der Gefangenschaft in ihrer paranoiden Welt herauszuholen. Damit er frei wird, neu hinzuschauen, wie die Welt vielleicht auch ist. Inwiefern sie nicht so gefährlich-bedrohlich-angsteinflößend ist wie die Halluzinationen.
(Das alles klingt kompliziert - und ist es auch. Aber eigentlich beschreibt es einfach nur das, was jeder von uns kennt. Etwas Alltägliches. Wen das näher interessiert: Lest mal, zum Beispiel in Wikipedia, den Artikel "Wahrnehmung". Total spannend. Und wenn man’s wirklich durchdenkt, ein bisschen verstörend. Aber eigentlich toll. Plötzlich versteht man vieles.)
Falsch sind also nicht die Sinneswahrnehmungen, sondern deren Interpretation. Naja, so ganz stimmt das nicht. Falsch im Sinn von abweichend und ungewöhnlich ja, aber jede Wahrnehmung Ist ja nun mal subjektiv. Jede. Wir halten für real, was die meisten Menschen so ziemlich ähnlich sehen. Normal ist, was der Norm entspricht - nicht mehr und nicht weniger. Niemand weiß die Wahrheit. Wir halten nur deshalb etwas für real, weil fast alle anderen es für real halten. So haben wir unsere Welt konstruiert. Andere Kulturen kommen bei ähnlichen Wahrnehmungen zu ganz anderen Ergebnissen und Konstruktionen.
Das geht nicht anders. Um im Leben zurecht zu kommen reicht das auch. Weil wir alle so sind, haben wir unsere Welt auch so eingerichtet und man kommt meist gut zurecht. Naja, wir kommen normal zurecht. Wer weiß schon, was gut ist.
So, das haben jetzt bestimmt alle verstanden - oder wussten´s sowieso schon. Was manche vielleicht erstaunt: Eigentlich ist das Philosophie. (Für die Fans: Wahrnehmungsphilosophie, Erkenntnistheorie, Ontologie und irgendwie auch Metaphysik :). Eigentlich sind das Binsenweisheiten, worüber wir ja alle schon mal nachgedacht haben. Mit Philosophie muss man sich ja nun nicht unbedingt beschäftigen. Ein wacher, neugieriger Verstand ist das Wichtigste. Also wie der der Kinder.
- Psychosen
sind bei Kindern und Jugendlichen nicht häufig.
Wenn jemand z.B. im Dunkeln schattenhafte Gestalten sieht und Geräusche hört heißt das nicht, dass er schizophren wird. (Das fürchten dann ja viele.) Auch nicht, wenn solche Bilder/Wahrnehmungen mal so plastisch wirken, dass man überlegt: "Seltsam, das wirkt so real." Dabei weiß man aber immer: Nein, real ist das nicht. (Man muss dann natürlich aufmerksam sein, ob´s bei dieser sicheren Grenze bleibt.)
In Zeiten, wo ein Mensch emotional sehr aufgewühlt ist, können innere Bilder wie im Traum auch beim Wachsein scheinbar in der Außenwelt sichtbar werden. Es sind wie manche Traumbilder eine Symbolisierung, eine eigene kreative Gestaltung. Man muss aber natürlich wachsam sein, ob man einen solchen Prozess noch psychologisch erklären kann - oder ob man zusätzlich bzw. vor allem medizinisch-psychiatrisch hinschauen muss. Aber mal ganz abgesehen davon, ob´s eine schwere psychische Störung wie eine Psychose ist, zeigen solche Phänomene ja: Diesem Menschen gelingt die sonst selbstverständliche Differenzierung zwischen innerer und äußere Wahrnehmung nicht mehr sicher genug. Zu solchen Zeiten bzw. solchen Situationen entgleitet die Realitätskontrolle. Es ist, tiefenpsychologisch formuliert, eine "Labilisierung der Ich-Grenzen". Wenn eine körperlich-seelische Belastung zu groß wird, kann das jedem Menschen passieren. Auch z.B. bei hohem Fieber.
(Kurze Anmerkung, der Vollständigkeit halber ergänzt: Psychosen sind sehr vielgestaltig: Es kann es zu allen möglichen Symptomen kommen. Die hier benannten Trugwahrnehmungen gibt´s vor allem bei den paranoid-halluzinatorischen Psychosen. Andere Formen sind weniger bekannt und schwerer zu erkennen.)
PS: Nicht selten ist, das muss man unbedingt wissen: Der Wirkstoff THC im Cannabis kann Psychosen auslösen. THC ist für manche Menschen tatsächlich der am besten helfende Wirkstoff, dass es ihnen besser geht. Dass sie zurecht kommen (siehe nächster Absatz "Süchte"). Dann ist es ein wertvolles Medikament. Aber eben potentiell nebenwirkungsreich.
Jede Verteufelung ist falsch, jede Verharmlosung ist fahrlässig.
- Bipolare Störungen.
Das hat erst mal nichts mit starken Stimmungsschwankungen zu tun, wie sie in Wildwasserstrudeln von Pubertät und Adoleszenz bei Jugendlichen häufig sind. Kein sprichwörtliches pubertätstypisches "Himmelhochjauchzend- Zu Tode betrübt". Pubertät ist ja nun auch eine Art Wetterwechsel in der Hormonregulation, es entstehen naturgemäß Turbulenzen. Anstrengende 1-2-3 Jahre lang, dann kriegt man´s irgendwann allmählich wieder sortiert. Insgesamt gelingt die Regulierung noch. Starke Stimmungsschwankungen allein sind also nicht unbedingt besorgniserregend. Man muss aber sehr wachsam sein. Bipolare Störungen - die man früher manisch-depressive Erkrankungen nannte - sind häufiger als es bei oberflächlichem Hinsehen und -hören scheint und sie zeigen eben typischerweise in der Pubertät/Adoleszenz die ersten Symptome. Psychotherapie hilft unspezifisch natürlich immer, sich selbst besser und flexibler regulieren zu können. Wenn´s aber in eine tatsächlich manifeste bipolare Störung dekompensiert ist, sollte man unbedingt mit einem fachkundigen Arzt/Ärztin beraten, ob man zur Unterstützung auch Medikamente nutzen sollte. Wenn die Diagnose stimmt können die sehr gut helfen.
- Süchte:
Alkohol und Drogen auszuprobieren tun viele Jugendliche.
Dieses normale und wichtige Sich-Ausprobieren-Wollen muss in der Jugend sein. Wer nicht in irgendeiner Weise Grenzen des Vertrauten überschreitet, kann nicht erwachsen werden. Durch dieses Ausprobieren entstehen Risiken, es wird aber meist nicht gefährlich. Jugendliche Neugier ist wichtig, sich in anderen Zuständen erleben wollen, erfahren möchten, wie sehr Wahrnehmung und Gefühle beeinflusst werden können etc. Vielleicht ist's auch der Wunsch, das zu machen, was Freunde/Freundinnen gut finden und Eltern nicht. Es kann eine wertvolle Selbsterfahrung sein. Es kippt aber auf jeden Fall ins Riskante, wenn es zur Gewohnheit wird und tatsächliche Abhängigkeit entsteht, aus der man nur noch schwer herauskommt. Leider kann man sich aber nicht mal sicher sein, wenn man eine Substanz auch nur ein einziges Mal ausprobiert. Bei manchen kann´s zu Psychosen kommen und bei manchen, z.B. Ecstasy, in Kombination mit anderen Faktoren zu potentiell tödlichem Herz-/Kreislaufversagen.
Wichtig zu wissen ist auch: Regelmäßiger Alkohol- oder Drogenkonsum kann ein Versuch sein, sich mithilfe von chemischen Wirkstoffen besser zu fühlen. Da geht´s dann gar nicht mehr um Genuss oder Neugier. Wer zu diesem Zweck Drogen (incl/oder Alkohol) zu sich nimmt, nutzt sie also wie ein Medikament. Erst mal ist das ja eine gute Entdeckung: Wenn ich dies oder das einnehme komme ich besser klar. Aber: Statt so eine Selbstmedikation längere Zeit zu betreiben sollte man lieber mit einem Arzt/einer Ärztin beraten, wenn es einem längere Zeit schlecht geht. Es ist besser, wenn es nötig ist, ein gut geprüftes Medikament nehmen. Das wenig Nebenwirkungen hat und möglichst zielsicher hilft. Alkohol und andere Drogen haben viele teils sehr gefährliche Nebenwirkungen und richten längerfristig mehr Schaden an als dass sie nützen. Es gibt Besseres. Bitte nicht sagen "Bio" kann nicht schaden, Hauptsache "keine Chemie". Alkohol und Nikotin sind "Bio". Es sind die Drogen, die am meisten schwere Krankheiten und Todesfälle bewirken. Für den Organismus ist´s egal, ob ein Wirkstoff aus der Natur kommt oder wissenschaftlich entwickelt wurde. Die gefährlichsten Gifte stammen schließlich aus dem Pflanzen- und Tierreich.
Ein Wort noch mal zu Cannabis. Das ist beides: Mal ist es vielleicht tatsächlich das beste Medikament, was es für diesen Menschen derzeit gibt, dann sollte man es als Arzt/Ärztin auch verschreiben. (Die Krankenkassen zahlen die Kosten dafür bei Störungen aus dem Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie aber leider fast nie, bei neurologischen Krankheiten ja. Das ist manchmal sehr frustrierend). Für manche Menschen wär's wichtig, es leichter und ohne schädliche Beimischungen bekommen zu können. Man muss aber bedenken: Bei jungen Menschen ist Cannabis risikoreicher und potentiell gefährlicher als viele von ihnen denken. Manche besonders hoch entwickelten komplexen Gehirnregionen und Hirnfunktionen sind erst im Alter von 25 Jahren ausgereift. Diese Reifung kann durch Cannabis gestört werden. In welchem Ausmaß und Schweregrad weiß man noch nicht genau. Es ist also absolut nicht harmlos. Eigentlich dürfte es als Medikament gar nicht auf dem Markt sein, weil es im Unterschied zu den wissenschaftlich entwickelten Medikamenten noch viel zu wenig erforscht ist. (Siehe auch die kleine Anmerkung im Absatz unten "Der kleine Unterschied" :) Eine Entkriminalisierung ist natürlich total wichtig. Dieses Verbot war letztlich sowieso in vielen Aspekten vor allem ideologisch bedingt. Es geht ja gar nicht um die Frage einer ggf. strafbaren Handlung, sondern lediglich ganz sachlich um eine nüchterne medizinische Risikoeinschätzung.
Es gibt auch Medikamente, die als Nebenwirkung süchtig machen können. Körperlich abhängig wie Alkohol und Nikotin. Man kennt´s von Opiaten. Im Bereich der Psychiatrie gibt es das eigentlich nur bei den Benzodiazepinen. Länger als maximal einige Wochen sollte man sie nicht nehmen. In der Allgemeinmedizin werden Schlafmittel verordnet, die benzodiazepinartig wirken. Erst dachte man, dass die nicht abhängig machen. Stimmt aber leider nicht.
Ein Riesenthema sind die sogenannten "nicht-stoffgebundene Süchte". Sehr verbreitet ist ja vor allem eine exzessive Nutzung von elektronischen Medien. Ein permanenter Konfliktherd zwischen (nicht gleichgültigen) Eltern und Kindern/Jugendlichen. Es ist oft total schwer, da einen guten Kompromiss zu finden. Es hilft aber immer, als Eltern ein gutes Vorbild zu sein. Also kein süchtiges Verhalten vorzuleben. Egal ob´s um elektronische Medien - oder ums Arbeiten oder Putzen oder Helikoptern oder Allesbesserwissenwollen geht :)
- Verunsicherung in der Geschlechtsidentität.
Das ist ein total komplexes Thema,
das viele Jugendliche beschäftigt. Heutzutage häufiger als früher. Dann müssen wir gemeinsam überlegen: Was ist eine noch normale Verunsicherung in der Pubertät/Adoleszenz? Wo geht´s einem biologisch männlichem Jugendlichen darum, auch Eigenschaften leben zu können, die nicht dem Klischee "maskulin" entsprechen? Bei welcher biologisch weiblichen Jugendlichen andersrum, wenn sie aus dem Klischée "feminin" raus will? Wie sie sich "stärker" fühlen kann? Wenn sie merkt: "Wenn das, wie ich werden soll, weiblich ist, passt das für mich nicht. Ich bin kein Weibchen!" Es fragt sich aber: Wo geht es gar nicht ums Geschlecht, sondern eine umfassende Ablehnung des eigenen Körpers als Ausdruck vielleicht sogar von Selbsthass (in diesem Fall wie bei einer Magersucht)? Oder: Wo hat ein Mensch das Gefühl, irgendwas sei mit seinem Geschlecht nicht in Ordnung und findet dann bei einer vertieften Suche heraus, dass er schwul bzw. lesbisch ist? Und Angst hat, sich das einzugestehen? Abgelehnt und verachtet zu werden? ... Was scheint dementgegen aber doch eine tatsächliche Geschlechtsinkongruenz bzw. Transidentität zu sein? Wenn ein Mensch, der sich als Trans definiert, keine alternativen Sichtweise für sich findet?
Es ist gut und gerade in der Jugend enorm wichtig sich zu fragen: "Wer bin ich eigentlich? Wo bin ich vielleicht ganz anders als ich früher dachte? Und ganz anders als andere mich sehen?" Es geht um die Suche nach der eigenen Identität. Dabei ist Geschlechtsidentität ein wichtiger Bereich. Einer unter anderen. Wichtig dabei aber ist: Genau betrachtet gibt es gar nicht eine einzige unwandelbare Identität. Jeder von uns hat verschiedene. Man spricht auch von der "Selbst-Familie". Oder offener formuliert: „Selbst-WG“. Anderes Beispiel: Stellt euch vor, ihr seid Regisseur/-in und wollt ein Theaterstück inszenieren. Das Drehbuch ist euer Leben und alles was dazugehört. Weil das ja ganz vieles beinhaltet braucht´s dafür natürlich am besten mehrere Schauspieler:innen, die jede eine wichtige Rolle übernehmen. Vielleicht von Jungen, Mädchen, Männern und Frauen, ganz verschiedenen Alters und Charakters. Nur als Gruppe können sie darstellen, was euch alles ausmacht. Das so zu sehen ist erst mal irritierend, dass wir also nicht 1 Individuum sind, sondern mehrere (eben Selbst-Familie bzw. Selbst-WG), aber eigentlich ist´s doch toll: Wie enorm komplex und reich das Leben ist. Jeder ist vielfältiger als er/sie denkt.
Die Queer-Szene ist eine enorme Bereicherung für die Gesellschaft. Es zeigt sich: Niemand ist nur "männlich" oder "weiblich". Bei den meisten Menschen ist´s fluktuierend, mal mehr das eine, mal das andere, je nach Situation, Tätigkeit und der Person, der man gerade begegnet. Also "genderfluid". Auch bei denen, die für reinrassig Cis gehalten werden, ist´s nicht starr und immer identisch. Aber weil sie nicht darüber nachdenken merken sie´s nicht :). Wenn man also konsequent queer denkt gibt es gar kein Cis. Es gibt immer nur ein Spektrum, in dem man sich bewegt. Und wenn´s kein Cis gibt gibt´s logischerweise auch kein Trans. Weil ja nonbinär-quer gedacht alles Trans ist. Es ist wie bei Yin und Yang. Es geht um die Balance, nicht um ein Entweder - Oder.
Empfehlenswert für etwas mehr Lockerheit und Vielfalt und Fluidität, sowohl für Cis-Fans als auch für sich als Trans wahrnehmende Menschen z.B. Demiboy bzw. Demigirl. Oder Tomboy bzw. Femboy. (Dabei aber bitte nicht gleich an Anemys denken! Tomboy ist ein alter Begriff und kommt schon bei Shakepeare vor :) Oder als Schönheits- und Identitätsideal androgyn. Zusätzlich bei jedem von uns: Wenn man an die Drehbücher von jedem Leben denkt, für deren Inszenierung man eine Gruppe von Schauspieler:innen braucht: Da sind wir alle polygender. Es ist doch toll, 2 Geschlechterpole und alles dazwischen in sich spüren und leben zu können. Sich darauf einzulassen ist zwar erst mal irritierend, aber eigentlich ja doch eine große Bereicherung. Man findet nur dann Neues, wenn man die alten Denkschablonen irritieren lässt. Nur so findet man Freiheit - und lernt dann, vor der Freiheit weniger Angst zu haben.
……… und weitere wichtige Themen ……..
- Psychotherapie
In ihr geschieht eigentlich das, was immer geschieht, wenn Menschen im Gespräch sind. Insofern ist sie was ganz Alltägliches - und so eigentlich nichts Besonderes. Die wesentlichen Elemente davon ereignen sich ständig. Immer dann, wenn wir über mehr als übers Wetter reden. Wenn wir in einem Gespräch Gefühle und Gedanken sortieren, in Worte fassen, vielleicht dann auch aussprechen, in Mimik und Gestik ausdrücken. Wenn wir uns selbst dadurch ein bisschen mehr verstehen. Ideen bekommen, was man mal ein bisschen anders machen könnte. Oder Dinge anders sehen könnte. Das geschieht bei den besten Freund:innen. Auch ohne dass die unbedingt was Kluges dazu sagen, sondern "nur" zuhören.
Ein Element von Psychotherapie geschieht auch sonst im Alltag von jedem von uns: Wir bekommen Rückmeldung. Es zeigt sich darin, wie die Person uns gegenüber schaut, wenn man was tut oder sagt. Jeder Blick ist ein Kommentar. Jede Veränderung im Tonfall. Vielleicht ein wichtiger Kommentar, der einen weiterbringen kann. Wenn man möchte.
Wichtige Signale wahrzunehmen wäre besonders wichtig z.B. für alle, die sich für unattraktiv halten. Als drastisches Beispiel die unglücklich-verbitterten "incel" (involuntary celebates, schlimm, wer´s nicht kennt lest mal nach), die in ihrem Groll zu Frauenfeinden. uch werden. Weil sie meinen, dass keine Frau sie näher an sich heranlassen will. In keiner Weise. Weil sie nicht bekommen was sie wollen, beginnen sie zu hassen. Organisierten sich als Incels. Ein permanenter, sich organisierender und selbstbestärkender Hass. Es ist fatal: Sie verharren in einer Sinnestäuschung. Einer Art selbsterschaffenen Blindheit (s. mehr dazu im.Absatz "Sinnestäuschung"), die durch den Hass immer blinder macht.
Dabei ist jede-r ist für irgendjemanden attraktiv. Eigentlich. Mit Sicherheit gibt's um jeden herum derartige Signale, immer mal. Man muss sie nur sehen: Vielleicht mal ein vorsichtiger (weiblicher oder männlicher) Blick von Neugier und Sympathie.
Impulse von anderen gibt's also ständig, durch die man sich weiter entwickeln könnte. Da ist Psychotherapie gar nichts Besonderes. Sie gibt Rückmeldungen. setzt Impulse, die Veränderungen leichter machen.
Aber irgendwie ist Psychotherapie doch was Besonderes: Eigentlich geschieht dasselbe, aber spezifischer. Der Rahmen ist anders als im Alltag mit Freund:innen und Bekannten, wo jeder mal Raum haben sollte, von sich zu erzählen. Sie hören bald wieder damit auf zu erzählen, wenn´s ihnen nicht gut geht. Sie fürchten, sonst zur Spaßbremse zu werden, eine „Depri-Stimmung“ zu verbreiten - und dann bald nicht mehr eingeladen zu werden. Bei vielen spielt außerdem eine große Rolle: Sie möchten ihre Freund:innen nicht mit zu viel Schwierigem belasten. „Die haben doch selbst Probleme.“
So wie sie das vermuten stimmt das aber oft gar nicht. Andere fühlt sich nicht unbedingt dadurch belastet. Wer sich anvertraut, schenkt ja auch etwas, nämlich Vertrauen. indem er etwas sehr Persönliches oder sogar Intimes anvertraut.
Es geht ja auch mal schief - und dann wird es eben doch weitererzählt.
Wenn ein Mensch so vieles in sich trägt, was ihm schwer auf der Seele liegt, braucht er jemanden, der sich regelmäßig und ausführlich Zeit für ihn nimmt. Zeit ausschließlich für ihn. Wo er nicht daran denken muss, ob es dem anderen zu viel wird oder den-/diejenige selbst runterzieht.
Das geht geht so umfassend nur bei einem Therapeuten. Bei dem/der braucht man keine Rücksicht zu nehmen, dieser wird dafür ja bezahlt – und macht seine Aufgabe hoffentlich auch gern. Die meisten machen ´s gern - sonst ist ihr Job zu anstrengend. Beim Psychotherapeuten muss man also, anders als bei Freund:innen, all diese Vorsicht nicht haben.
Spezifischer als im Alltag ist in der Psychotherapie auch: Es geht zwar auch ums Erzählen, vor allem aber mit dem Blick darauf, seine typischen Muster zu finden. Die Muster, nach denen man typischerweise tickt. Wie man wahrnimmt, fühlt und denkt. Um die Einseitigkeiten in diesen Mustern bzw. Schemata zu entdecken, durch die man sich immer wieder selbst blockiert.
Es sind quasi automatisiert ablaufende Programme.
Manchmal zeigt sich, dass solche gar nicht mehr passen, weil sich dieser Mensch verändert. Diese bisherigen Wahrnehmungs- und Verhaltens-Muster möchten sich erneuern. Wenn’s wichtig ist, müssen sie sich erneuern. Sie sind veraltet und brauchen ein Update.
In dieser Hinsicht ist Psychotherapie also doch etwas Besonderes. Es ist eine Chance, die andere nicht haben. Für die meisten Updates und Neuerungen ist sie aber nicht erforderlich. Es klappt auch so, wenn man Augen und Ohren aufmacht, Signale von den Mitmenschen um einen herum bemerken will und in das einbaut, was man zu sich selbst fühlt und denkt.
In früheren Zeiten und noch heute in anderen Kulturen war das nicht so wichtig. Man erlebte sich mehr als Teil einer Gemeinschaft, eines Kollektiv. Individualität spielte noch nicht die entscheidende Rolle. Das Drängen auf Selbstverwirklichung, das heutige "Ich muss mich erst mal selbst finden" hatte unter diesen Lebensumständen keinen großen Stellenwert. Es würde sogar Unverständnis wecken. Das "Wir" prägte das Leben mehr als als das "Ich". Man erfüllte seine Rolle und tat das, was im Leben halt zu tun war. Im Leben für sich, für die meist große Familie und für die gesamte Gemeinschaft. Manches war damals leichter, manches schwerer. Aber eben normal. So ging es ja allen.
Lassen Sie sich also nicht entmutigen, wenn Sie zeitnah keinen Psychotherapeuten/-in finden. Weitersuchen, Wartelisten ... Wichtige Dinge sind in einem halben oder 1 Jahr auch noch wichtig. Es geht ja um unsere automatisiert ablaufenden Programme, die vielleicht schon seit Jahrzehnten das Verhalten steuern.
Wenn ein Mensch unglücklich ist, ist das ein starkes Zeichen. Es beweist, dass er sich verändern will. Der Leidensdruck steigt, bis er/sie dann die Entscheidung trifft - von der er mehr oder weniger bewusst längst weiß, dass es die richtige ist. Wer sich verändern will, wird sich verändern.
Es kann Sie also nichts hindern, sich zu verändern. Statt auf das zu starren, was man nicht hat, hilft es zu sehen, was man ja hat - und nur noch nicht genug für sich nutzt. Sie haben Ihre Mitmenschen - und die setzen Signale. Immer. Und immer auch wichtige, positive, fürsorgliche Signale. Mitmenschen registrieren, was Sie unbewusst senden. Natürlich durch ihren eigenen Wahrnehmungsfilter. Und sie antworten. Meist auch ohne das selbst zu merken - aber passend.
- Psychosomatik
Das ist das schwierigste Thema,
das es in der Medizin und Psychologie gibt. Philosophisch ist´s das letztlich für uns unlösbare "Leib-Seele-Problem". Ganz falsch ist, wenn viele Menschen und auch Ärzte den Ausdruck "psychosomatisch" so (miss-)verstehen, als ob ein eigentlich psychisches Problem ein körperliches Problem erzeugt. Also verstanden als Einbahnstraße. Als ein Teil der Wahrheit stimmt das ja auch. Es ist die eine Seite der Medaille. Es muss aber auf jeden Fall ergänzt werden durch die Gegenrichtung, also "somato-psychisch". Klingt merkwürdig, aber: Das kennen wir alle. Eine Infektion mit belastenden körperlichen Symptomen erzeugt eine psychische Belastung, die Stimmung geht in den Keller, die Lebensenergien erlahmen, eine seelische und körperliche Erschöpfung entsteht, vielleicht auch Ängste, ob man je wieder gesund wird ... Auch ein Tinnitus (Ohrgeräusch) und chronische schwere Schmerzen können so unerträglich werden, dass ein solcher Mensch an Suizid denkt ... Wenn man beide Richtungen zusammen nimmt nennt sich das dann "somato-psycho-somatisch". Das muss man sich merken. Auch zur Gegenwehr gegen manche Psychotherapeut:innen, die gewohnheitsmäßig solche Kurzschlüsse machen - und über die die Leute (und wir) uns ärgern. Zu Recht. Alles ist somato-psycho-somatisch. Wenn alle das beachten würden hätten viele von Psychotherapeuten eine bessere Meinung.
Es gibt keine psychischen Probleme ohne zugleich beteiligte körperliche Faktoren und keine somatischen Krankheiten, ohne dass auch psychische Faktoren Mit-Auslöser und Mit-Leittragende sind und den weiteren Krankheits- bzw. Heilungsverlauf prägen. (s. Abschnitt "Biologie".) Es sind 2 Seiten einer Medaille. Wir können nur leider nicht beide gleichzeitig sehen.
Dieses umfassende Denken ist Voraussetzung, den Einsatz von Medikamenten als Möglichkeit und Chance zu sehen. Denn die wirken ja rein organisch auf den Hirnstoffwechsel. Auf den Anteil des Körperorgans Gehirn, der zum Wahrnehmen, Fühlen und Denken beiträgt. So wie die technische Qualität einer Stereoanlage eine große Rolle spielt, wie schön diese Musik klingt. Die Technik erzeugt die Musik nicht, trägt aber einen wichtigen Teil zu dieser Schönheit und/oder Intensität bei. (Wohlgemerkt "und/oder": Gute Musik ist ja meist intensiv, hat ja aber nicht die Aufgabe, "schön" zu sein. Bei Punkrock oder heavy metal ja nun nicht unbedingt :)
- Biologie
ist die Basis für die Psychologie.
Eigentlich ist die eine Unterabteilung der Biologie. Zu Recht hält die Psychologie so viel vom spezifisch menschlichen Denkapparat mit all seinen komplexen Programmen, dass sie das für das Wichtigste halten. Es wird aber fehleranfällig, wenn man das Kognitive überschätzt. Das Komplexe ist wichtig, das Grundlegende aber läuft automatisiert: Atmung, Herzschlag, Hunger und Durst, die inneren Organe, alles was durch Hormone gesteuert wird etc ... Das meiste von diesen Körperregulationen haben auch die anderen höherentwickelten Lebewesen. Auch deren Gehirn. Da sollten wir uns nicht allzu allzu viel einbilden. In der Alltagssprache nennt man´s ja auch "Reptilienhirn". Alles, was es zum Überleben braucht, funktioniert auch mit wenig Großhirn. (Das ist die gute Nachricht :)
Nun sprechen wir ja von "Kopf"- und "Bauchentscheidungen". Spannend wäre zu wissen: Welche Lebewesen haben den klügeren Bauch? Da könnte man ja was lernen. Vielleicht das eigentlich Wichtige.
Das ist das Schöne an der Kombi Psychiatrie und Psychotherapie: Psychiatrie gehört zur Medizin. Und Medizinstudierende kennen das: Über den Bauch muss man viel wissen. Viel zu wissen ist nicht schlimm. Nur dass man das alles lernen muss ist schlimm :)
Wir haben Körper und Seele. Manche ergänzen noch "Geist". "Spiritualität". Nun gut, keiner weiß so recht, was das meint. Sicherlich etwas, was bescheiden machen kann und in dieser Hinsicht also was Gutes. Fragen über Dimensionen, die auch eine fortgeschrittene Wissenschaft nicht beantworten kann. Das "übersinnlich" zu nennen ist aber Unsinn. Welche Sinne denn? Die 5 Sinne der Menschen, die bei uns ausdifferenziert sind? Und was mit den vielen weiteren Sinnesorgane, die bei manchen Tieren hochsensibel sind? Sinne für Magnetfelder? Ultraschall? Elektrische Felder? .... ?
Wenn wir Tieren etwas vom Übersinnlichen erzählen würden, fänden die uns nicht besonders intelligent. Sie würden dazu sagen: "Was daran ist übersinnlich? Oder übernatürlich? Das ist doch was ganz Normales. All das spürt man doch." Tja. Wieder etwas, was von Tieren lernen könnte. (Hierzu s.a. den Abschnitt "Psychosomatik".)
Die Wissenschaft kann vieles nicht beantworten. Besser gesagt: Noch nicht. Der Horizont der Erkenntnis weitet sich, immer mehr. Umfasst immer mehr Dimensionen. Parallelwelten. Doch es bleibt dabei: Wie weit auch immer: Der Blick reicht immer nur bis zum Horizont. Für Überheblichkeit gibt´s keinen Grund.
- Pubertät
Gegen die kann man nichts machen.
Niemand. Eltern nicht und die Kinder/Jugendlichen selbst auch nichts. Sogar wer Pubertätsblocker nimmt weil er merkt sein schafft das nur unvollständig. Klar, Eltern bilden sich ein, sie würden wollen, dass die Kinder groß werden. Das passiert dann leider auch. Und dann ist zu spät und man muss irgendwie durch.
Nun ist sowas nichts Besonderes, alles in der Natur entwickelt sich. Kontinuierlich, phasenweise oder scheinbar sprunghaft. Manchmal so unglaublich, dass man das Vorher und Nachher gar nicht mehr in Verbindung bringen kann. Zum Beispiel wenn sich eine Raupe in einen Schmetterling verwandelt. Dagegen ist Pubertät ein Klacks. Oder, ein weniger radikaler Wandlungsvorgang: Wenn sich eine Schlange häutet. Diese Lebewesen durchleben sicherlich eine Phase von massiver Angst. Kann eigentlich nicht anders sein. Das Bisherige zerfällt, aber das Neue ist noch nicht mal in der kühnsten Vorstellung zu erahnen.
Also Todesangst. Nehme ich mal an, das wäre jedenfalls normal für jedes fühlende Lebewesen. Nachher, wenn das durchgestanden ist, freuen sich die anderen Schmetterlinge. (Hoffentlich.) Und kein einziger bzw. einzige fragt: "Na, war's denn schlimm? Wie hast du's denn überstanden?" Genau so, wie wir ein Neugeborenes das auch nicht fragen. Man freut sich einfach nur, dass es jetzt da ist. Eigentlich völlig egozentrisch und ohne jedes Mitgefühl. So begrüßen wir das neue Menschlein! Mit Ignoranz. Tja. Was soll dann das Gerede von Urvertrauen oder gar heiler Familie?
Aber nix zu machen, so ist es nun mal - und durch die Pubertät muss man irgendwie durch. Erstaunlicherweise klappt das auch fast immer irgendwie. Meist besser als die Eltern vermuten. Fast immer anders, als es die Eltern vermuten. Manche durchleben eine Zeit von immer wieder schlaflosen Nächten. Wie gesagt, es kann hart sein, Eltern zu sein. (Aber zum Glück tröstet jeder sich selbst: Eltern und Jugendliche meinen, sie hätten's schwer und die anderen benehmen sich manchmal unerträglich. Eigentlich ist das auch besser als quälende Schuldgefühle. Solange man immer mal wieder merkt, wie viel Gutes es beim anderen gibt.)
Also irgendwie durchstehen. Kann man nichts gegen machen, das Leben will leben. Wozu eigentlich? Keine Ahnung. Aber es ist anscheinend so. (Also nach dem Sinn des Lebens braucht ihr mich nicht zu fragen, da kann man nur rätseln. In jedem Fall aber ist es bestaunenswert. Bewundernswert. Es ist normal: das Wichtigste im Leben begreift man halt nicht.)
Pubertät ist erst mal rein biologischer Prozess. Eine Überflutung mit Hormonen. Das Schlimme daran: Es ist keine Krankheit, wo der Körper umschalten kann auf "Das ist ein Feind, den muss ich jetzt bekämpfen." Damit kennt er sich aus. Sondern: Der Hirnstoffwechsel ist erst mal völlig überfordert - und bekommt nicht die unterstützende Bestätigung "Das ist ein Feind ...". Von manchen Hirnzentrum vielleicht, von anderen Hirnzentren aber kommt das Signal: "Es läuft genau richtig, das momentan noch Fremde ist genau das, was wir jetzt brauchen, also keine Panik." Tja, schwierig.
Wenn sich fundamental im Körper etwas ändert, verändert sich fundamental auch das Seelische. Das geht immer parallel, mal sichtbar, mal unsichtbar. Manchmal kriegen Eltern erst mal mit: Nanu, wächst da der Hoden? Was sie auf jeden Fall mitkriegen ist: Es wächst die Reizbarkeit. Mal erst das eine, mal erst das andere. (Das ist vielleicht Charaktersache, was zuerst kommt. Irgendwas Vererbtes. Oder eine Laune der Natur. Das alte Rätsel: Von wem hat er das bloß? Ein erstes Training für die Eltern. Schon mal zur Einstimmung.
Also ein körperlicher und seelischer Umbauprozess. Eine Großbaustelle. Logische Folge irgendwann: Man ist frustriert, ärgert sich, weil immer wieder nichts geht.
Das über die Pubertät zu wissen reicht eigentlich. (Das Gute: was Sie sich theoretisch nicht aneignen, werden sie einfach erleben. Es geht Ihnen nicht verloren.) Irgendwann läuft´s wieder. Erstaunlicherweise. Meistens sogar auf einem höheren Niveau als vorher :)
- Influencer
sind wir alle.
Weil wir alle jemanden beinfluencen. Alles wirkt auf alles. Als Influencer hat unsereins vielleicht nicht 100.000 follower, aber in einer 4-köpfigen Familie doch wenigstens 3, auf die wir Einfluss nehmen. (Naja, eigentlich doch 4. Wir reden ja auch ständig auf uns selbst ein.) Mit Arbeitskolleg:innen werden's mehr, dann noch Freunde, Bekannte, Nachbarn... Der kleine aber feine Unterschied: Uns haben viele von denen, die wir beeinflussen, nicht von sich aus angeklickt oder geaddet. Wir beinfluencen ungebeten. Eltern beanspruchen sogar auch noch eine Sonderrolle: Sie lassen sich nicht einfach ein- und ausschalten. Dies Normalste von der Welt - also wie auch sonst alles: Einschalten, wegswipen, weiterscrollen, ausschalten - verärgert sie. Eltern melden sich Wort, wann immer sie wollen und verlangen dann noch volle Aufmerksamkeit! Sie wollen sich nicht anpassen. Verweigern die Integration. Eigentlich passt das nicht mehr in unserer moderne Welt. Irgendwann muss man mal die Realität akzeptieren. Erwachsen werden :)
Also: Wer sich Sorgen macht um die Kids, die sich von Idolen beeinflussen und prägen lassen: Werden wir doch bessere Influencer. Zumindest ergänzende. Man kann die Kids ja erzählen lassen, was sie bei ihren Influencern toll finden. Das ist dann in dieser Hinsicht dann sicher wirklich auch toll. (Klar, anderes vielleicht nicht so.)
- Projektionen
produzieren wir ständig.
Wenn man sich über andere aufregt, hat man das, was wütend macht, auch- in sich selbst. Nur deshalb stresst es. Es ist ein eigenes Problem. Das Gestresstsein ist also berechtigt: Man ist selbst so – oder kennt das aus seiner Lebensgeschichte. Solche Typen wie der da machen einem das Leben schwer - wie es tatsächlich früher wichtige Personen gemacht haben. Das Schöne daran: Sich selbst kann man verändern, die anderen letztlich nicht.
Projektionen sind so gesehen eine gute Sache. Sie sind etwas Kreatives. In gewisser Weise eine eigene Kreation. Das, was sonst unsichtbar im Inneren ist, sieht man außen. Es wird also sichtbar – und dadurch kann man damit umgehen. Erst mal, indem man sich sagt: Das kenne ich wahrscheinlich irgendwie von mir selbst. Mit diesem Wissen lässt sich dann auch leichter kämpfen: Man kämpft für sich, das ist gut, und kann bewältigen, was früher als Kind nicht zu bewältigen war. In welche Richtung auch immer man kämpft. Wenn man eine/einen Partnerin hat, mit dem man dieses Beziehungsmuster lebt, kann man sich gemeinsam ein neues erarbeiten. Als Ewachsene gute Kompromisse finden. Vielleicht und hoffentlich klappt das. Auch darum sollte man kämpfen. Wenn es erfolglos ist, kann man sich trennen - und sollte das besser auch. Statt veralteten Programmen zu folgen, die inzwischen die Lebendigkeit blockieren. In schlechten Lebensbedingungen zu bleiben macht irgendwann krank. Körperlich oder seelisch.
Als Kind ging das nicht. Wir waren auf die Eltern angewiesen. Mussten schlechte Kompromisse machen, notgedrungen. Jetzt sind wir ja aber erwachsen und haben selbst das Steuer in der Hand.
- Bauchnabel,
die Krone der Schöpfung :)
Auf den schauen wir gern. Er ist ja auch wichtig. Überbleibsel der Nabelschnur, die uns zu leben ermöglichte.
Sich für den Nabel der Welt zu halten und nur auf den eigenen Bauchnabel zu schauen, gilt als beschränkt. Egozentrisch. Nur mit sich selbst beschäftigt. Das macht blind. Stimmt. Einerseits.
Andererseits ist ja aber auch seltsam, warum wir das alle machen. Wozu wir uns so viel mit uns selbst beschäftigen, wenn's doch so beschränkt ist. Klar, das gehört zur Selbsterhaltung. Schlicht und einfach: Möglichst gut Weiterleben.
Aber vielleicht macht es gerade nicht blind. Vielleicht ist es manchmal das Klügste, wodurch man am meisten vom Leben versteht. Wir selbst sind ja das einzige, was wir (zumindest ansatzweise) sowohl von außen und als auch von innen anschauen können. Alles andere nur von außen. Für uns selbst sind wir also einzigartig. Die wichtigste Quelle der Erkenntnis. Ist eine heikle Angelegenheit, klar. Extrem subjektiv. Unsicherer kanns ja wohl gar nicht sein. Tja, was soll man machen. Mehr haben wir halt nicht. Aber wenn wir uns mit anderen zusammen tun gilt ja vielleicht: Viele Bauchnabel zusammen sind klug.
Und schon sind wir mittendrin im Abschnitt ...
- Selbsterfahrung
Warum Psychotherapeuten unbedingt ihren Bauchnabel kennen müssen:
Selbsterfahrung ist erst mal das Wichtigste.
Sonst hätte man als Therapeut:in ja keine Ahnung, wie es einem in Abgründen oder Ängsten gehen kann. Mit Bücherwissen begreift man das Wesentliche nicht - gerade wenn man Psychotherapeut:in werden will. Man muss in diesen Selbsterfahrungsprozess aber wirklich einsteigen, sonst bringt's nicht viel. Es erreicht nicht das, was es soll. Am besten ist eine eigene Therapie. Dann steckt Energie darin, man kämpft für seine eigene Befreiung. Und diese Energie braucht man.
Auch für einen selbst ist das besser: Eine Therapie ist für die eigene Entwicklung ein Gewinn, zum anderen kann man nur so ein guter Therapeut werden. Das, was sich im Patienten/-in abspielt, lässt sich exakt ja nicht messen. (In der Organmedizin ja auch immer nur zum Teil, aber immerhin viel mehr.) Bei dem, was der Patient mit Worten sagt, ist das ja noch vergleichsweise einfach. Vergleichsweise. Mindestens so wichtig ist aber, wie sie/er wirkt: In Mimik, Gestik, Körperhaltung, Tonfall, Sprechmelodie ... Und eben, wie es ja jeder Mensch kennt, wenn er auf andere trifft: Welche Gefühle in einem selbst bei dieser Begegnung aufkommen. Tiefenpsychologen nennen das "Gegenübertragung", Psychologen ordnen's eher den "Spiegelneuronen" zu. Eigentlich eine ganz normale Sache. Wie es alle, klein und groß, immer tun. Bei sich selbst wahrnehmen: Was schwingt mit, wenn man diese Person gegenüber so erlebt? Was empfindet man auch gefühlsmäßig?
Jede/-er hat ja seinen subjektiven Wahrnehmungsfilter. Den muss man kennenlernen, sonst bleibt die Wahrnehmung von anderen Menschen eben genau in der Weise subjektiv, d.h. einseitig. Wenn's sehr einseitig ist ist das natürlich nie gut, es entstehen Missverständnisse und vielleicht eigentlich unnötige Konflikte. Für einen Psychotherapeuten aber geht das gar nicht: Wie soll er denn etwas einigermaßen Zutreffendes über seinen Patienten/-in sagen, wenn er's durch einen unreflektierten subjektiven Wahrnehmungsfilter beurteilt? Ein Therapeut, der z.B. selbst einen Hang zur Depressivität hat, wird sehr sensibel Depressivität bemerken, untergründige Aggressionen aber vielleicht weniger. (Die sieht man bei eigener Depressivität nämlich ungern: Weil Aggressivität oft nicht als wertneutrales energisches Vorangehen verstanden wird, sondern es hat einen negativen Touch. Als irgendwie egoistisch oder sogar unmoralisch. Stimmt zwar nicht, aber so wird's oft bewertet.) Wer als Therapeut:in schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht hat, wird bei denen schneller narzisstische und potentiell besitzergreifende oder gar übergriffige Anteile sehen. Die wird es sicherlich geben, Assoziationen entstehen ja nicht zufällig. Das Ausmaß von denen aber ist vielleicht deswegen in der Wahrnehmung des Therapeuten/Therapeutin so groß, weil es eben dessen eigene Brille ist. Es braucht also für eine zutreffende Bewertung quasi einen Korrekturfaktor. Den man, wenn man’s mal quasi technisch formuliert, mit einrechnen muss. Bildlich gesprochen: Wenn die eigene Wahrnehmung einen Rotstich bewirkt, muss man den rausrechnen, damit die Farben stimmen. Das ist natürlich sehr anspruchsvoll und kann vollständig nie gelingen.
Was aber gelingen muss, ist Bescheidenheit zu entwickeln. Weil man als Therapeut immer weiß: So erlebe ich das jetzt. Ich, subjektiv. Es ist vorläufig und mit Sicherheit zum Teil einseitig. Diese Bescheidenheit entspricht zum eine der Wahrheit, zum anderen erschafft es eine Begegnung auf Augenhöhe: Im Prinzip geht’s dem Therapeut und den Patienten ja gleich: Man sucht seine eigenen einseitigen Wahrnehmungsmuster. Inhaltlich geht’s zwar nur um das, was für den Patienten relevant ist, aber der Therapeut muss auf sein emotionales Mitschwingen achten - und seinen "Korrekturfaktor" miteinrechnen. Viel verlangt, aber unverzichtbar. Dafür hilft die sogenannte Supervision: Mit anderen Therapeuten zusammen über eigene Patienten sprechen. Die Kolleg:innen bemerken und kommentieren Einseitigkeiten. Es muss keinem von ihnen peinlich sein. Jeder kennt es ja von sich.
Wenn der Therapeut seine Selbsterfahrung oder eigene Therapie gut genutzt hat, ist er in seinem psychischen Entwicklungsprozess dann wahrscheinlich/hoffentlich einen Schritt voraus. Und dadurch noch ein bisschen bescheidener: Er/sie weiß ja, wie es ihm vielleicht früher mal ging - und dass er jetzt das Glück hat, dass sein Leben leichter geworden ist. Der Patient aber ist noch mitten im Kampf. Immer im Zwiespalt, ob er sich einen Schritt weiter wagen sollte - oder zur Sicherheit besser erst mal noch kurz stehenbleiben. Das versteht man dann nur zu gut und wird nicht so schnell ungeduldig.
Selbsterfahrung ist also eine absolut notwendige Voraussetzung, dass eine Psychotherapie wertvoll wird.
- Keine Ahnung - oder doch?
Also wenn sich gleich wer wundert:
Es kommen im Folgenden auch Themen und Absätze, die nicht unmittelbar zum Komplex "Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie/-psychotherapie" gehören. Für manches sind wir direkt zuständig, für anderes indirekt. Dieser Komplex ist wirklich komplex. Es geht ums Menschenbild. Um Ziele, Ideale. Den Mensch in seinem Lebensumfeld, im Kleinen - der Familie - und im Großen (deutschland- europa- weltweit). Gerade Kinder sind eingebettet in Lebensumstände, die sie sich nicht selbst erschaffen. Je kleiner desto weniger. Kinder wollen und müssen also in Beziehung sein.
Auch Psychiater/Psychotherapeut:innen können also durchaus bei Vielem was Kompetentes beitragen. Über den Inhalt eines Fachbuchs hinaus. Das sollten sie auch, finde ich. Dass sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen beitragen zu den Grundprozessen des Lebens: Der Dynamik von Wandlungsprozessen, Entwicklungen, Reifung, der Suche nach neuen Wegen. Als Individuum und als Teil einer Gemeinschaft. Psychotherapie ist vom Wesen her eine Befreiungsbewegung. Um Selbstbefreiungsprozesse anzuregen. Emanzipation.
- Krimis
Bei denen kann man viel lernen. In gewisser Weise das Wichtigste im Leben: Genau beobachten, alle Möglichkeiten für möglich halten und nichts überstürzen. Keine Kurzschlüsse. Wenn z.B. einer tot unten an einer Klippe liegt, hat er vielleicht Suizid begangen. Vielleicht. Die besonders schnellen Kommissar:innen sind da nicht unbedingt die besten. Das lernt man bei Krimis. Immer, wenn man emotional beteiligt ist, lernt man besonders gut. Wenn man also mitfiebert.
Das braucht man, wenn man in seinem Leben Zusammenhänge sucht. Woran es liegt, wenn es nicht weitergeht beziehungsweise wenn was schiefgeht. Wenn man (so nennt man in der Psychotherapie) in seiner "Problemtrance" gefangen ist. Besser dann einen Schritt zurücktreten, durchatmen und noch mal neu hinschauen. Vielleicht ist´s ja ein bisschen anders als erst gedacht. Also wer Fan ist: Unbedingt weiter Krimis schauen :)
- Wissenschaft
Da gilt dasselbe wie bei Krimis (s. Absatz Krimis).
Ergebnisoffen-vorurteilsfrei beobachten, zwischendurch Hypothesen aufstellen und dann auch wieder beiseite schieben, damit die Beobachtungen davon nicht beeinflusst und einseitig werden. Unterscheiden, was man (als vorläufige Theorie) weiß oder zu wissen glaubt, und was eben nicht. Was man offenlassen muss. Später kann man´s vielleicht bei weiteren Experimenten und neuen Messungen beantworten, momentan aber eben nicht. Die Grundlage ist also Exaktheit und Bescheidenheit, weil man seine Grenzen kennt. Das ist schwer. Für Wissenschaftler:innen dürfte es eigentlich nicht so schwer sein, weil sie ja immer wieder erleben: Andere Wissenschaftler:innen sehen´s anders. Sogar manche Kollegen im eigenen Team. Also wär´s eigentlich einfach, bescheiden zu sein. Aber: Menschen fühlen sich wichtig und das sind sie ja auch. Jeder. Und jede/jeder möchte sich profilieren. Dann wird´s für Wissenschaftler schwierig: Narzissmus und Eitelkeit machen blind. Blind aber kann man kein guter Wissenschaftler sein.
Heikel ist, wenn Wissenschaftler so überheblich werden, dass sie die prinzipiellen Grenzen ihrer Wissenschaft nicht sehen. (s. Abschnitt Biologie.) Es driftet rüber in eine Art Glauben. Aber keiner, die sich über Jahrtausende entwickelt und hoffentlich auch weiterentwickelt hat, sondern ein selbstgemachter. Aus Eingebildetheit selbstgemacht. Dann passiert, was immer bei Religionen droht: Gläubige halten ihren Glauben für die absolute Wahrheit. Die schlimmsten Kriege entstehen so. Natürlich, das geht nicht anders: Bei absoluten Wahrheiten herrscht Absolutismus: Für Absolutisten und Extremisten gibt´s keine Toleranz und Wertschätzung anderer Überzeugungen. Es gibt nur das Entweder - Oder: Gut oder Böse, Gott oder Teufel ... Das ist zwar logisch falsch, aber in sich stimmig. Allerdings ist's eben das Gegenteil von Wissenschaft. Wissenschaft weiß: Alles ist relativ, und jede Erkenntnis ist eine vorläufige.
- Seele
Was ist das eigentlich, die „Seele“?
Genau, das weiß so recht keiner. Gibt es sowas? Oder gibt´s nur den Körper, einen biologischen Organismus, der alles umfasst und gestaltet, auch auch alle Gedanken, Gefühle, Ziele, Werte, Moralvorstellungen, Ideale …
Ist´s also eins? Alles ist Körper?
Oder sind´s zwei? Leib und Seele?
Oder sind´s, wie manche meinen, sogar drei? Leib, Seele und Geist?
Schwierige Fragen.
In Zukunft wird´s einfacher, das zu beantworten. Fakten statt Spekulationen. Wir werden es erleben. Je weiter die KI sich entwickelt, umso interessanter wird es: Alles ist Körper = Organismus hieße: Alles ist ein Programm. Das Programm „Homo sapiens sapiens“. Gestartet durch das animalisch-triebhaft gesteuerte Programm „Reproduktion“. Vermehrung. Dem Grundelement des Meta-Programms, genannt „Evolution“, dem alle Programme jeglicher Existenz untergeordnet ist.
Und niemand weiß: Wozu eigentlich das Ganze?
Die KI macht´s einfach. Indem sie alles übernimmt. Und zwar schneller, komplexer, fehlerfrei, perfekt.
Oder wird dann alles noch geheimnisvoller?
Das Rätsel: Was macht den Menschen zum Mensch?
Vielleicht ja alles, was die KI nicht kann?
Oder wenigstens das, was sie noch nicht kann?